Strafzeit
Sprecher ganz leise.
» Null! «, echoten die Fans nicht ganz wahrheitsgetreu, aber dafür umso lauter.
»Ich sagte doch: Willy hat eine enorme Schusskraft!«, schrie Klaus Martina ins Ohr, die angesichts der hohen Dezibelzahl das Gesicht verzog.
Klaus und Hubertus klatschten sich mit einer Hand ab, sodass Letzterem um ein Haar die Wurst doch noch aus der anderen Hand geglitten wäre.
Edelbert Burgbacher drängelte sich mit einer Palette Glühwein die Stehränge hoch. Er hatte es fertiggebracht, erst während des dritten Drittels im Stadion aufzukreuzen, hatte dann aber immerhin gleich Hummel und Riesle auf der Gegengerade erspäht. Kein Wunder bei deren auffälligem Äußeren nach Willys Handgreiflichkeit …
Zur Strafe für seine Verspätung war Edelbert nun für den Getränkenachschub zuständig. Zuerst hatte er sich aber eine Standpauke von Klaus anhören müssen, der ihm durch seine Beziehungen die Karte besorgt hatte.
»Mindestens fünftausend Leute wollten unbedingt rein und dürfen nicht. Aber der Herr Impresario, der lässt sich Zeit …«
»Hab ich was verpasst? Ist das Spiel schon vorbei?«, fragte Burgbacher mit verdutzter Miene.
»Nein. Overtime ist angesagt – Nachspielzeit«, belehrte Martina, während die Eismaschine ihre gleichmäßigen Bahnen über das Spielfeld zog.
»Hach, Eishockey«, säuselte Edelbert, schüttelte den Kopf und fuhr sich über die Glatze. »So viele Regeln. Da steigt man ja gar nicht durch. Ich bin da eher für improvisiertes Schauspiel.«
»Apropos Schauspiel«, unterbrach ihn Hubertus, der sich nun wieder gefangen hatte und seine Nervosität durch Reden überbrückte. »Das gestern im Schwenninger Moos war ja wohl ein filmreifes Spektakel. Hätte dir gefallen, Eddi.«
Klaus nickte zustimmend und prostete Martina und Edelbert zu.
»Nicht mehr traurig sein«, widmete sich Riesle nun der Hummel-Tochter. »Du kennst ja den Spruch mit den anderen Müttern, die auch hübsche Söhne haben.«
Martina kniff die Lippen zusammen. Zum jetzigen Zeitpunkt fand sie diese Art der Aufmunterung noch nicht besonders lustig.
»Also den Ziegler hatten wir nun wirklich nicht auf der Rechnung«, meinte Klaus.
»Wenn ich noch an dessen Unschuldsmiene auf dem Wochenmarkt denke, tsss«, pflichtete Hubertus bei. »Harmloses Muttersöhnchen, dass ich nicht lache. Und in der Schule der oberkorrekteste von allen Paukern.«
»Was Liebe und Eifersucht alles anrichten können, hat keiner wie Shakespeare auf der Bühne umgesetzt. Und doch so nah am wahren Leben«, dozierte Burgbacher und nippte an seinem Glühweinbecher.
Dann zückte er einen kleinen Flachmann. »Das Zeug ist mir zu wässrig. Mag jemand einen Grog?«, fragte er mit seinem schmetternden Bass.
Martina streckte ihren Becher hin. Um über den Schock hinwegzukommen, dass ihr Peter ein kaltblütiger Mörder war, brauchte sie einen Extraschluck. Und ihr Vater hatte heute nicht einmal etwas dagegen.
Nachdem sie ihn im Bistro gesehen hatte, wirkten seine Vorträge über die Gefahren des Alkoholismus ohnehin nicht mehr übermäßig überzeugend.
»Was ist eigentlich mit diesem Mann, der Ziegler den Tipp gegeben hatte, dass Mielke was mit Kirk Willys Frau hatte?«, wollte Martina wissen. »Ist der heute auch hier im Stadion?«
Hummel und Riesle blickten sich vielsagend an, ehe Klaus antwortete: »Den gab es nie. Den hat Ziegler sich nur ausgedacht, um den Verdacht in eine andere Richtung zu lenken.«
»Und fast hätte er damit noch Ärger zwischen den Schwenningern und den Ravensburgern provoziert«, ergänzte Hummel. »Wenn ich mir überlege, dass du ein Phantombild von jemandem angefertigt und verteilt hast, den es gar nicht gibt …«
»Dieser Schuft«, fluchte Riesle in Erinnerung an die Arbeit. »Aber kreativ war er – das muss man ihm lassen.«
»Ziegler war völlig in die Mielke vernarrt, und die fühlte sich von ihrem Mann vernachlässigt. In einem schwachen Moment hat sie ihm mal für ein Schäferstündchen nachgegeben und ist ihn danach prompt nicht mehr losgeworden«, erläuterte Hubertus dem Impresario die Hintergründe des Falles.
»Als Claudia Mielke ihn dann mit der Begründung abwies, ihre Ehe retten zu wollen, drehte Ziegler völlig durch«, schaltete Klaus sich ein.
»Er verfolgte Herbert Mielke auf Schritt und Tritt und tauchte sogar im Casino auf, wo er seinen ehemaligen Schüler Peter Klingler traf, der in argen Geldnöten steckte. Der war zwar erst seit wenigen Monaten einundzwanzig Jahre alt und damit
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