Straight White Male: Roman (German Edition)
»Glenfiddich?«
Eklige Pissbrühe. »Geht klar. Einen dreifachen.«
Der Drink kam, und Kennedy knallte einen Zwanziger auf den Tresen. »Behalten Sie den Rest.«
Ein Stirnrunzeln. »Sind Sie sicher?«
»Klar. Ist doch bald Weihnachten.«
»Vielen Dank, Kumpel. Ehrlich, das weiß ich zu schätzen.«
Na los, nimm schon, du Nervensäge. Eine kleine Entschädigung für all den Sex und den Luxus, den du nie hattest.
Kennedy bahnte sich einen Weg zurück nach draußen, um zu rauchen. Auf dem Bürgersteig war ein kleiner, völlig überfüllter Bereich mit einem Seil abgetrennt. Ein Mann grinste ihn an und prostete ihm zu. »Frohe Festtage, mein Freund!«
Die Durchschnittsmenschen. Sie taten, was sie immer taten. Durchschnittliches Zeug. Kennedy fühlte sich schon fast als einer von ihnen. Er blickte die Argyll Street hinunter in Richtung des hell erleuchteten, schwarz-weißen Neo-Tudor-Gebäudes von Liberty. Erinnerungen kamen hoch, die viele, viele Weihnachten zurücklagen: Er und Millie, wie sie sich vor dem Kaufhaus trafen. Kinderlos, jung, verliebt und mittellos waren sie durch die Verkaufsräume gestreift und hatten all die Dinge bestaunt, die sie sich nicht leisten konnten. Millie hatte sich in einen Teppich verguckt, ein seltenes, handgefertigtes Stück, das fünftausend Pfund kosten sollte. Beim bloßen Gedanken daran, so viel Geld für einen Teppich auszugeben, hatten sie lachen müssen. Sie hatten noch gelacht, als sie nach Soho hinüberschlenderten, um irgendwo billig chinesisch zu essen, ein paar Bier in einem Pub ohne Türsteher zu trinken und Freunde zu treffen, an die er sich nicht einmal mehr erinnern konnte. All diese Menschen, all diese Leben, wo sind sie hin? Kennedy kippte den Drink runter, würgte ein wenig – bah, dieser Glenfiddich! – und ging weiter die Straße entlang.
In der gleißend hell erleuchteten Möbelabteilung tippte er seine PIN ein, während die Verkäuferin zufrieden die Versanddetails notierte. Er buchstabierte den Namen, der jetzt wieder Millies Mädchenname war, und suchte in seinem Handy die Adresse heraus.
»Ja, das ist in Warwickshire. Und die Lieferung erfolgt auch ganz sicher noch vor dem ersten Weihnachtstag?«
»Aber ja.«
»Großartig.«
Der Teppich kostete zwölftausend Pfund, was unter Berücksichtigung der Inflationsrate wohl in Ordnung ging. Kennedy versuchte sogar, der Verkäuferin einen Zwanziger in die Hand zu drücken.
»Nein danke, Sir, das kann ich nicht annehmen.«
»Ach, nun machen Sie schon.«
Sie kicherte und errötete. »Ich kann wirklich nicht. Ehrlich. Möchten Sie einen Gruß beifügen?«
Er füllte die Karte aus, was ihm inzwischen einige Schwierigkeiten bereitete. Seine Handschrift war bloß ein verschmiertes Gekrakel. »Millie – du hast dir mal so etwas gewünscht. Mit Liebe, Kennedy xxx.«
Auf dem Weg nach draußen kaufte er einen gepunkteten Schal in der Abteilung für Herrenbekleidung, schlang ihn sich um den Hals und summte »Motorcycle Emptiness« von den Manic Street Preachers vor sich hin – »From feudal serf to spender, this wonderful world of purchase power« –, als er auf die Great Marlborough Street hinaustrat, wo er nach rechts in die Carnaby Street abbog. Zeit für den nächsten Drink.
Das White Horse war noch voller und lärmender als der Duke of Argyll. Sogar die Musik – »Driving Home for Christmas« – war lauter, und die Leute sangen mit. Kennedy entschied sich diesmal für ein kaltes Pint Stella und spülte damit eine weitere Valium hinunter. Bisher schien der einzige Effekt der Pillen darin zu bestehen, ihn sehr, sehr glücklich zu machen. Natürlich nicht so glücklich, dass er deshalb seinen Plan aufgegeben hätte. Schließlich war sie immer noch da. Diese tödliche Erbse, gleich neben seiner Harnröhre.
Die Carnaby Street. Connie hatte ganz in der Nähe ihr Büro gehabt, bevor ihre Firma aufgekauft wurde und zum Haymarket umzog. 1996 hatte sie ihn in ein kleines französisches Restaurant hier um die Ecke zum Lunch eingeladen und ihm erzählt, dass sie nach vielen Absagen endlich zwei ernstzunehmende Angebote für Undenkbar erhalten hatten. Die Vorschüsse seien nicht gerade riesig, hatte sie gesagt, doch sie habe durchaus annehmbare Lizenzsätze ausgehandelt. Und falls sich das Buch gut verkaufen sollte …
Kennedy hatte sich gefühlt, als würde er nach den Sternen greifen.
Er war nach Hause geeilt, um Millie davon zu erzählen, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Robin schwanger war. Dann war er
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