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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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wofür reiß ich mir eigentlich den Arsch auf? Etwa, um in einem gottverdammten Zoo zu leben?«
    Alle paar Tage mailte Kennedy mit den Leuten in Deeping. Meistens mit einer Frau namens Angela. Mal sollte er sich Fotos von Häusern ansehen und sagen, welche davon für ihn infrage kamen. Mal bat sie um seinen Vorschlag für den Lehrplan. Oder informierte ihn darüber, dass es sehr viele Bewerbungen auf die zwanzig Seminarplätze in seinem Kurs gegeben hätte – ob er vielleicht eine Vorauswahl treffen könne? Er hielt sich an seine alte Regel: drei E-Mails abwarten, bis es dringend genug war, um zu reagieren. Und dann antwortete er so kurz und förmlich wie irgend möglich. Er überließ es Connie und ihren Mitarbeitern, sich um Haus und Möbel zu kümmern. Er vertraute auf ihren guten Geschmack. Das Einzige, worauf er bestand, war, dass sie ihm für die Dauer seines Aufenthalts einen Aston Martin DB9 besorgten. Millie berichtete ihm in einer E-Mail von dem Aufschrei der Entrüstung, der sich an der Fakultät darüber erhoben hatte. Die können mich mal, dachte Kennedy. Das ist ein verdammter Abschiebebefehl, da seien mir ein paar Annehmlichkeiten ja wohl gegönnt. Und war man erst einmal eine Weile Aston Martin gefahren, dann fühlte sich alles andere bald an wie ein Skateboard mit Gummimotor. Robin schickte ihm eine Playlist, die sie »Dads England-Abenteuer« nannte. Er wünschte sich wirklich, er hätte die Zeit, sie sich anzuhören.
    Die Produktion auf dem Studiogelände hatte begonnen. Kennedy war über den Highway 101 rauf nach Burbank gefahren, um sich endlich mit Julie Teal zu treffen. Sie aßen gemeinsam im Catering.
    Selbst ohne Make-up und Kostüm, in Sweatshirt und Jogginghose, hatte sie das gewisse Etwas. Sie war einer dieser wundersamen biologischen Volltreffer. Der Körper, das Gesicht, ihre Züge: ausnahmslos Kirschen (diese Kirschen auf Geraldines Unterarm) oder Glocken. Oder Zitronen. Jackpot. Wie so häufig war auch sie kleiner, als er gedacht hatte. Und sie hatte einen riesigen Kopf: eine Osterinsel-Statue auf dem Körper einer Barbiepuppe. Ihr Gesicht war wie Knetgummi. Zu allem formbar. Eine leere Leinwand. Sie war wohl siebenundzwanzig, konnte aber alles und jeden zwischen einundzwanzig und fünfunddreißig spielen. Natürlich hatte sie von dem Angebot in der Auslage nichts gegessen. Stattdessen brachte ihr ein Assistent eine Thermoskanne mit grünem Tee und einen von ihrem Privatkoch zubereiteten Plastikteller mit Sojasprossen, Seetang und Tofu. »Mmm«, gurrte sie, während sie in diesem Gräuel herumstocherte. Kennedy lutschte an einer Pfefferminzpastille herum, um seinen Wodka-Atem zu kaschieren. Spenglers Ansage war unmissverständlich gewesen: kein Alkohol in Gegenwart von Julie, die erst vor Kurzem ihren Reha-Aufenthalt beendet hatte.
    »Also, Julie«, fragte Kennedy, zog die Kappe von seinem Stift und holte sein Notizbuch hervor, »was hältst du von dem Drehbuch?«
    »Ich bin begeistert.«
    »Wirklich? Ich hatte den Eindruck, du …«
    »Nein, ernsthaft. Du bist ein fantastischer Autor, Kennedy.«
    »Nun ja, danke.« Er setzte die Kappe des Stiftes wieder auf.
    »Alles, was ich vielleicht anzumerken hätte, ist …«
    Und wieder runter mit der Kappe.
    »… dass sich einem manchmal, bei den Proben und vor der Kamera, wenn man die Figur näher kennenlernt, sie Schicht für Schicht freilegt …« Ach du Scheiße. »… sich neue Möglichkeiten erschließen, sie zu spielen. Neue Richtungen, in die sie sich entwickeln könnte. Aber du wirst ja in England vor Ort sein, nicht wahr?«
    »Allerdings, das werde ich.«
    »Großartig. Wenn ich also ein paar klitzekleine Drehbuchänderungen vorzuschlagen hätte, dann kriegen wir das sicher gemeinsam hin.«
    »Spitze.«
    »Gott, ich liebe deinen Akzent. Er ist einfach hinreißend.«
    So vernünftig, so charmant. So … suspekt.
    Kennedy war mit Schauspielern zu vertraut, um sich in ihrer Gegenwart jemals sicher zu fühlen. Was ihnen an einem Skript gefiel, konnte sich nach einer eingehenden Textanalyse ihres Friseurs oder Psychiaters über Nacht ändern. Oder nach der Premiere eines Blockbusters, in dem ein Freund oder Rivale mitspielte, dessen Figur mit Eigenschaften glänzte, die auch ihren Ehrgeiz weckten. Natürlich gab es noch einen weiteren möglichen Grund für Julie Teals ausbleibende Mäkelei: Sie hatte das Drehbuch noch nicht gelesen.
    In der Zwischenzeit war aus Juli erst August und schließlich September geworden, und ehe er sich

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