Straight White Male: Roman (German Edition)
Änderungen sind unzumutbar.«
»Unzumutbar? Ernsthaft? Möchtest du dich deswegen auf einen Rechtsstreit einlassen? Einen endlos langen Prozess mit Scott Spengler? Der verklagt dich bis aufs letzte Hemd. Einfach nur, weil’s ihm Spaß macht.«
»Ich scheiß auf ihn.«
Ein Seufzer. »Weißt du was, du irischer Dickschädel? Es ist unglaublich, aber er mag dich.«
»Bitte?«
»Spengler. Er mag dich. Kevin auch. Sie bewundern deine Hingabe und Aufrichtigkeit . Sie schicken mir ihre Anmerkungen zum Drehbuch und wollen dich immer noch an Bord haben.«
»Ich will aber nicht an Bord sein. Das wird eine Katastrophe. Haben sie dir gesagt, was sie vorhaben?«
»So schlimm wird das schon nicht sein.«
Kennedy erzählte es ihm.
»Nun ja, das klingt nach einem ziemlichen Hin und Her«, sagte Braden. »Aber du bist ja lange genug dabei. Du kennst das Spiel. Genau deshalb scheffelst du so viel Knete. Da musst du durch. Oder sie ersetzen dich und holen jemanden an Bord, der die Sache erst so richtig versaut. Wenn du am Ball bleibst, dann kannst du zumindest alles in deiner Macht Stehende tun, um deine Arbeit zu …«
»Ja, ja«, äffte Kennedy ihn nach. »Alles in meiner Macht Stehende.«
»Kennedy, nun krieg das doch endlich in deinen Kopf. Du machst diesen Film, wir lassen uns auf diese Award-Sache ein, du gehst eine Zeit lang nach England, und alles wird gut. Okay?«
Kennedy seufzte. »Also gut. Lass dir die Anmerkungen zuschicken. Ich melde mich dann später bei dir.«
Er legte auf und starrte den Strand entlang. Ein Kind – vielleicht drei Jahre alt – trottete hinter seinen Eltern her und aß einen Hotdog. Irgendetwas an der Art, wie schwer es sich damit tat, wie groß und unhandlich … nein, es lag daran, dass das Kind ganz allein aß. Ohne gefüttert zu werden. Etwas, was es vermutlich noch gar nicht lange konnte. Zu sehen, wie kleine Kinder ohne fremde Hilfe aßen, diesen ersten, frühen Schritt hin zur Selbstständigkeit mitzuerleben, das ging ihm jedes Mal zu Herzen. Denn dieser Moment war immer der erste Schritt auf dem Weg zu jenem Punkt in ihrem Leben, an dem sie nicht mehr auf die Eltern angewiesen waren. An dem sie irgendwann einfach weg waren. Und du warst sowieso nie da.
Unglücklicher Geist!
Müde machte Kennedy kehrt und ging zurück zum Wagen. Er hatte vor Kurzem erst verstanden, warum das Leben ab vierzig so ermüdend war: Man schleppte all diese Leichen mit sich herum.
All diese Geister, auf den Rücken geschnürt.
vierundzwanzig
»Wisst ihr was? Ich find’s echt klasse von euch Typen, dass ihr konsequent ›Reihe‹ sagt. Diese subtile Andeutung von Stillstand? Chapeau! Wir nennen es ja ›Schlange‹. Vermutlich, weil eine Schlange sich gelegentlich bewegt .« Kennedy lächelte übertrieben freundlich.
Der Sicherheitsmann – schwarz, stämmig, in den Dreißigern, derselbe Kerl, der ihm vor fünfzehn Minuten gesagt hatte, er sei sich sehr wohl bewusst, dass Kennedy erster Klasse reise und eine Freigabe für die Schnellabfertigung habe, die sei aber leider gerade geschlossen – blickte ihn nur tumb an und sagte: »Bitte bleiben Sie in der Reihe, Sir.« Dann ging er davon. Vermutlich, um sich zu vergewissern, dass sich auch der Rest der Schlange nicht vorwärtsbewegte.
Kennedy starrte giftig auf den blau uniformierten Rücken des Mannes, auf die an seiner fetten Hüfte baumelnde Pistole, und murmelte: »Du dämlicher Wichser.«
Der restliche Sommer war in einem Tsunami aus Deadlines und Schreiben abgesoffen. Sieben Tage die Woche war er morgens um sechs mit einer Knarre im Mund erwacht, hatte spätestens um halb sieben mit einem dampfenden Kaffee vor seinem iMac gehockt und Zeug wie » INNEN BÜRO – TAG «, » AUSSEN L. A. – STRASSE « oder » KAMERA FÄHRT ZURÜCK « getippt. Er war von einem Final-Draft-Dokument zum anderen gesprungen – wie ein Mann, der während einer Orgie von einem warmen Körper zum nächsten stolpert. In Wahrheit war es größtenteils Scheißarbeit: überflüssige Szenen rausschmeißen, am Dialog feilen, Klischees ausmerzen, Übergänge glätten. Gute Drehbucharbeit, behauptete Bill Goldman, war hauptsächlich Scheißarbeit. Wie Hausarbeit. Mach sie gewissenhaft, und es fällt keinem auf. Mach sie schlampig, und du wirst schon sehen. Kein Ehemann kommt nach Hause und sagt: »Wow, Schatz. Die Fenster glänzen ja richtig! Und sieh dir den Boden an!« Aber wenn die Hausarbeit nicht erledigt wird, tritt er vielleicht durch die Haustür und sagt: »He,
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