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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Statisten engagiert und …«
    Verdammte Scheiße.
    Spengler faselte darüber, wie großartig es war, wenn Kunst sich verselbstständigte, und dass die Orgienszene am Ende stellenweise wirklich unglaublich realistisch geworden sei.
    Warum gab es in dem Film auf einmal eine Orgienszene?
    Kennedy nahm sich vor, bei der Writer’s Guild anzurufen und um eine Einschätzung zu bitten, ob er vielleicht besser seinen Namen aus dem Projekt streichen lassen sollte.
    Fast wünschte er sich, dass seine Studenten jetzt hier wären. Das würde eine wirklich lehrreiche Erfahrung für sie sein. Da erdachte man in zahllosen einsamen Nächten am Schreibtisch einen Politthriller, jedes einzelne Komma ein Kunstwerk, jede einzelne Regieanweisung wohlüberlegt, Nuancen und Subtext sorgsam eingewoben. Und acht Monate später saß man in einem Nobelrestaurant, trank Champagner, aß ein acht Dollar teures gekochtes Ei, das auf der Karte als »Ei von der Henne« angepriesen wurde – Kennedy musste den Kellner einfach fragen, ob die Eier frisch vom Hahn heute Abend waren –, während so ein durchgeknallter Irrer einem erzählte, dass die Schauspieler nicht nur eigenmächtig an den Dialogen rumgeschraubt, sondern der Wahnsinnige auch noch einen Rudelbums eingebaut hatte. Einfach nur, weil im Zeitplan ein Tag frei gewesen war und ein beknackter Saal zur Verfügung gestanden hatte, den der Regisseur nicht ungenutzt lassen wollte.
    »Was?« Spengler hatte ihn irgendwas gefragt.
    »Wie läuft’s denn so mit den Studenten? An dieser Uni da?«
    »Sie sind … verdammt jung. Falls du verstehst …«
    »Ich wette, das sind sie – du Tier, du.«
    »Nein, ich meine …«
    »Irgendwelche guten Autoren dabei? Jemand, den ich mir angeln sollte?«
    »Da gibt es … nein. Wohl eher nicht.«
    Plötzlich kam irgendwo hinter ihnen Unruhe auf. Draußen brach ein Blitzlichtgewitter los, am Eingang gab es Tumulte. Kennedy und Spengler drehten sich um und sahen Julie Teal samt ihrer Entourage hereinkommen. Die Speisenden gafften die Neuankömmlinge unverhohlen an. Der Oberkellner führte die Gruppe eilig in eine schummrige Sitzecke.
    »Ach du Scheiße«, seufzte Kennedy.
    »Ist doch klasse«, sagte Spengler. »Wir gehen gleich zu ihnen rüber und sagen Hallo. Lass mich dir nur eben noch erklären, warum ich mich mit dir zum Essen treffen wollte …«
    Der eigentliche Grund für das gemeinsame Dinner war, wie sich herausstellte, dass durch diese ganze Improvisiererei beim Außendreh in Serbien einige »interessante Konstellationen« und »frische Perspektiven« bezüglich der Figuren aufgekommen waren. Julie, Kevin und Michael hatten ein paar »starke Ideen« für neue Szenen und wollten die Hintergrundgeschichte noch weiter ausbauen. Das sei alles »unglaublich aufregend« und würde die Story ungemein »nach vorne bringen«.
    Während er das Dessert verdrückte und ein dreißig Dollar teures Glas Calvados runterkippte, nickte Kennedy immer wieder zustimmend. Aber in Wahrheit hörte sich keines der zahlreichen Adjektive – »interessant«, »aufregend«, »frisch« –, mit denen Spengler so freimütig um sich warf, für ihn richtig an. »Albtraum«. »Schweinerei«. »Verschandelung«. Das waren die Begriffe, die ihm dazu einfielen.
    Aber Hollywood war nun einmal ein reines Glücksspiel. Man warf die Würfel, brachte sich in Sicherheit und wartete ab, was geschah. Auch mit einem Cast bestehend aus Kevin Kline, Susan Sarandon, Harvey Keitel, Alan Rickman, Danny Aiello und Rod Steiger, einem oscargekrönten Drehbuchschreiber und einem gestandenen Produzenten wie Norman Jewison konnte das Ergebnis durchaus ein Film wie Im Zeichen der Jungfrau sein: ein völliger Misserfolg, der an den Kinokassen läppische vier Millionen einspielte und danach auf sämtlichen IMDb-Profilen bloß noch als Schandfleck taugte. Andererseits war es sehr wohl möglich, mit einem Regie-Novizen, Schauspielern zweiter Wahl und komplett ohne Drehbuch draufloszufilmen und am Ende Der Weiße Hai in den Händen zu halten. Die kompliziertesten Produktionen entpuppten sich gelegentlich als Goldesel, während die harmonischsten, entspanntesten Drehs nicht selten völligen Dreck zeitigten. Und letztendlich sagte niemals jemand zu seiner Frau oder Freundin: »He, Schatz, lass uns doch heute Abend Film XY ansehen. Ich habe gehört, die ursprüngliche Vision des Drehbuchautors ist weitestgehend unangetastet geblieben, und weder der Zeitplan noch das Budget wurden überzogen.« Das war den Leuten

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