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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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Braden, diesmal regelrecht aufgekratzt. »Du irischer Bastard, ich weiß nicht, was du getan hast, aber du bist ein Genie …«
    Zuletzt noch einmal Spengler. »Ehrlich, Kennedy … ich dachte, ich wüsste alles darüber, wie man mit divenhaften Filmstars umspringt. Aber von dir kann ich offenbar noch so einiges lernen. Chapeau! Wirklich beeindruckend. Also, wir treffen uns nächstes Wochenende zum Dinner. Freitag oder Samstag. Nur du und ich. Mein Büro arrangiert das.«
    Gottverdammtes Filmgeschäft: die größte Klapsmühle der Welt, bevölkert von den durchgeknalltesten Spinnern, die es gibt.
    Er konzentrierte sich wieder auf Paiges warme Stimme. Plötzlich überkam ihn der übermächtige Drang, sie geradeheraus zu fragen: »Sag mal, Paige, wie wäre es, wenn wir einfach in ein Hotel gehen und uns um den Verstand ficken?«
    Ihre Miene: erst Verwirrung, dann Unglaube und schließlich Wut, als ihre flache Hand auf seine Wange zuflog und ihr Drink in seinem Gesicht landete. Wobei Kennedy Marr solche Getränkeattacken durchaus nicht fremd waren. Der Schock, den beispielsweise eine unfreiwillige Champagnerdusche nach sich zog, war ihm durchaus vertraut. Er wusste, wie es war, jemanden zur Tür hinausstürmen zu sehen, während man sich Chardonnay- oder Chablis-Tränen von den Lippen leckte.
    Nein, dachte Kennedy, ich sag wohl besser nichts dergleichen.
    »Irgendwie scheine ich einfach nicht über Seite Siebzig hinauszukommen«, klagte Paige.
    »Probleme mit dem dritten Akt?«, fragte Kennedy. Oh, Schätzchen, wollte er sagen, ich habe meine eigenen Probleme mit dem dritten Akt. Du würdest nicht glauben, wie schwierig der dritte Akt sein kann. »Die Probleme des dritten Akts sind immer auch die Probleme des ersten Akts«, sagte er. »Die Grundsätze des Dramas sind ganz einfach: Die Handlung ist Folge eines Ereignisses, dem wir gleich zu Beginn beiwohnen, und sie führt über eine Abfolge von Konflikten zu einem befriedigenden Abschluss. Die strikte Einhaltung dieser Grundsätze ist allerdings ganz und gar nicht einfach.«
    Sie lächelte ihn an. Sein Glas war leer. Ihres ruhte quasi unberührt auf ihrem Schenkel. »David Mamet«, sagte sie.
    »Das ist richtig«, nickte er, während draußen der Wind auffrischte und den Regen gegen die Scheiben peitschte. »Zehn Punkte für Sie.« Für einen Augenblick herrschte völlige Stille, bis Kennedy fragte: »Hätten Sie vielleicht Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?«
    Paige beugte sich vor und setzte das immer noch randvolle Glas auf dem Couchtisch ab.
    »Heute Abend kann ich leider nicht.«
    »Warum nicht?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite – wieder umspielte dieses verhaltene Lächeln ihre Lippen – und sah ihn so an, wie man ein Porträt im Museum betrachtet: unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte und Details, das große Ganze im Blick, statt nur auf die Augen fokussiert zu sein. Sie verschränkte die Arme, wodurch sie ihre Brüste leicht zusammendrückte, was die Spalte dazwischen vertiefte und sie akzentuierte. »Fragen Sie mich bei Gelegenheit noch einmal.«
    Später, als sie gegangen war, saß Kennedy im Sessel, schlürfte ihren Drink und dachte: Die Probleme des dritten Akts sind immer auch die Probleme des ersten Akts.
    Was war bei ihm im ersten Akt bloß dermaßen in die Hose gegangen, dass er sich immer noch so aufführte? Was dachte er sich dabei, zwanzig Jahre jüngere Mädchen um ein Date zu bitten? War ihm denn nicht klar, dass er wie ein geiler alter Sack wirken musste? Da hatte er nun erfolgreich den dritten und letzten Akt erreicht, und all seine Roten Heringe und MacGuffins führten immer noch ins Leere – ohne Plot und ohne Motiv. Wo Klarheit herrschen, die Handlungsfäden zusammenkommen, ineinandergreifen und einer Lösung zustreben sollten, da regierte das blanke Chaos. Seit über fünfundzwanzig Jahren verhielt er sich genau so, ohne sich jemals auch nur im Mindesten zu ändern. Welches fürchterliche Ereignis oder welche genetische Anomalie war dafür verantwortlich? Seine Freunde, so ziemlich alle von ihnen, hatten eine Entscheidung getroffen und sich konsequent daran gehalten. Was sie zwar zugegebenermaßen schnurstracks in die Ödnis und Langeweile der mittleren Lebensjahre geführt hatte, aber zumindest gab es bei ihnen eine Story. Irgendeine Art konventioneller narrativer Struktur. Bei Kennedy blieb alles völlig zusammenhanglos. Episodenhaft. Eine Sketch-Show. Eine japanische TV-Werbung. »Willkürlich«, wie Robin sagte.
    Er

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