Straight White Male: Roman (German Edition)
zu brechen, und der Tod lungerte quasi auf deiner Türschwelle herum. Plötzlich waren die Läden wieder voll mit Bekannten. All diese grinsenden Kadaver, faltig, zerzaust und fett, die einem mit Champagnerflöten oder Longdrinkgläsern zuprosteten, »Leiste uns Gesellschaft!« oder »Was willst du trinken?« riefen und die alle deinen Namen kannten. Und das gefiel Kennedy. Er war ein Club-Typ. Doch gleichzeitig spürte er die unterschwellige Verzweiflung, die hinter dem eingefrorenen Grinsen in diesen Gesichtern lauerte und urplötzlich aufflackerte, wenn jemand einen Tick zu laut lachte oder seinen Blick zu lange erwiderte. Man konnte sie sehen, tief in ihren Augen, wie ein dunkler, schrecklicher Raubfisch, der aus der Tiefe hervorkam, aber nie die Oberfläche durchstieß. Man sah die Angst.
Nach dem Soho House waren Julie und er noch in irgendeinen Nachtclub gegangen. Und dann noch in einen anderen. Schließlich hierher. Und ständig hatte sie das grelle Flackern von Blitzlichtern begleitet – wie Wetterleuchten. Leute, die auf der Straße neben ihnen herliefen. Ihnen Dinge zuriefen. Gelächter, Tränen, Champagner, Gebrüll, Kokain und immer noch mehr Kokain. Und am Ende der Sex …
»Ohhh, fick mich, fick mich, fick mich!« Ihre spitzen Absätze hatten sich in seine Schenkel gebohrt, als er mit den Händen über ihren weichen Körper strich, ihren BH öffnete, spürte, wie der Druck nachgab und etwas Schweres dankbar nach vorn fiel. Seine Hände waren um sie herumgeglitten, hatten ihre Nippel gerieben und gekniffen, während sie sich auf alle viere fallen ließ, ihr Stöhnen und ihre Stöße immer drängender wurden. Kennedy verharrte bewegungslos, kniete nur noch auf dem Bett, die Arme auf dem Rücken, und ließ sie langsam ihren Hintern in seinen Schoß pressen, um dann, sogar noch langsamer, in sie hineinzugleiten. Und wieder raus. Rein und raus. Er erinnerte sich, wie er sich gedanklich auf das konzentriert hatte, was er immer bemühte, wenn er eine vorzeitige Ejakulation abwenden wollte: schlechte Kritiken. Kennedy konnte keine einzige Zeile einer guten Besprechung seiner Bücher zitieren, aber die Verrisse vermochte er auch noch fünfzehn Jahre nach ihrem Erscheinen im genauen Wortlaut wiederzugeben.
»Kennedy Marrs Prosa ist schwülstig, als wolle sie sich selbst glauben machen, sie sei wichtig und originell.«
»Kalt und steril. Nicht eine einzige Figur, die einen für sich einnimmt.«
»Dieser seichte Blockbuster nach einem unterirdischen Drehbuch des gefeierten Schriftstellers Kennedy Marr …«
Dann hatte sie sich auf den Rücken gelegt. Ein langes Bein in die Luft gereckt. Das Weiß ihres Bauchs. Sein glänzender erigierter Schwanz, abwartend, verschnaufend. Und dann hatte sie ihn mit einem fordernden »Ohhh, jaaa!« wieder in sich hineingeschoben.
»Auch wenn der Regisseur sicher nicht ganz unschuldig ist, hat den Großteil dieser Misere zweifellos Drehbuchautor Kennedy Marr zu verantworten …«
»Fick mich, fick mich, fick mich.« Ihre freie Hand bearbeitete emsig den schmalen Haarstreifen über ihrer …
»Lässt den feinen Tonfall und die Klasse des Debüts vermissen …«
»Oh mein Gott«, keuchte sie. »Ich komme gleich.«
»Als wäre er beständig auf der Suche nach einer besseren Geschichte, mäandert der Roman dahin …«
» KENNEDY – ICH KOMME! «
» KENNEDY MARR IST EIN BEDEUTSAMER NEUER AUTOR, DESSEN WERK NOCH IN HUNDERT JAHREN AUS DER PUREN FREUDE AN DER SPRACHE GELESEN WERDEN WIRD! «
Ahhh.
Und doch lauerte zwischen diesen Erinnerungen irgendein Übel. Etwas, an das er sich einfach nicht richtig erinnern wollte: Julie, auf ihren Knien, wie sie ihm einen blies, dann zu ihm aufblickte und etwas sagte, irgendwas … etwas über seinen Schwanz?
Auf der Suche nach seinen Schuhen und seiner Hose sah er sich im Halbdunkel der riesigen Suite um. Dabei dämmerte ihm langsam, dass an der Sache noch etwas ganz und gar nicht gut war. Sogar noch weniger gut, als den Star des Films zu vögeln. Schlimmer als das, was sie zu ihm gesagt hatte. Was immer das auch war. Er blickte auf die grünen Digitalziffern des Weckers: 13:34 Uhr. Welcher Tag war heute? Sonntag. War da nicht etwas, was er heute eigentlich …
Gottverdammt.
Er fand sein Handy im verknoteten Gewirr seines Anzugs und ging nach nebenan ins Wohnzimmer.
Robin nahm nach dem dritten Klingeln ab. Als sie sein krächzendes, gebrochenes Flüstern hörte, sagte sie: »Scheiße, Dad, geht’s dir gut?«
»Ja, ja, tut mir
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