Straight White Male: Roman (German Edition)
allerdings noch arbeiten.«
»Deshalb bin ich ja hier. Also, was mache ich falsch?«
Mit einem Knistern ihrer bronzefarbenen, fast goldenen Strümpfe und einem leisen Rascheln ihres gerade mal schenkellangen Rocks schlug sie die langen Beine übereinander. Sie wippte mit dem Fuß in der Luft und streckte die Zehen. Ihr Schuh löste sich von der Ferse, als sie sich tiefer in die Falten ihres Leopardenmuster-Mantels sinken ließ, der sich unter ihr und um sie herum auf dem Sofa ausbreitete.
»Na ja«, sagte er, »was den Aufbau ganz allgemein betrifft …«
Vor zwanzig Jahren war er in ihrem Alter gewesen und hatte geglaubt, dass die Männer, denen er in Räumen wie diesem gegenübersaß, die Schlüssel zu sämtlichen Mythen der Welt besaßen. Paige allerdings verhielt sich überhaupt nicht so. Wieder umspielte ein verhaltenes Lächeln ihre Lippen, als würde sie genau durchschauen, wie lächerlich er sich gerade aufführte. Wie verkrampft von Lust und Hoffnungslosigkeit. Und es stimmte ja tatsächlich: Erfolg, Applaus, diese niedere Form von Prominenz, die einem Schriftsteller wie Kennedy gewährt wurde, das alles brachte ihn kein Stückchen weiter. Nichts davon war hilfreich. Noch nicht einmal während der ersten fünf Minuten einer Party, auf der man niemanden kannte.
»Meinen Sie denn«, fragte Paige, »dass die Dynamik zum Klimax des zweiten Aktes ausreicht, um einen bis in den dritten Akt zu tragen? Ich finde ja …«
Der Fallout der Drehbuchbesprechung mit Julie Teal hatte nicht lange auf sich warten lassen und war gleichermaßen dramatisch wie bizarr ausgefallen. Kaum hatte Keith den Wagen durch die Tore von Pinewood gelenkt, da begann das Telefon zu läuten. Solange sie auf der M40 fuhren, hatte Kennedy ungerührt seinen Whisky getrunken und es jedes Mal klingeln lassen, bis die Mailbox anging – erst danach hatte er alle eingegangenen Anrufe abgehört.
Der erste war von Spengler. Der Produzent war fassungslos, er konnte es einfach nicht glauben. »Oh, Scheiße. Was zur Hölle hast du getan? Was hast du zu ihr gesagt? «
Es folgte Kevin, der einfach nur tierisch wütend war. »Du bescheuertes Arschloch. Dank dir weigert sich mein Star jetzt, seinen Trailer zu verlassen, wodurch meine Crew zum Nichtstun verdammt ist und das größte Filmset ganz Europas völlig lahmliegt – was mich jeden Tag eine Million Dollar kostet.«
Dann Teal. Nichts als Beschimpfungen. »Fick dich … wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden … das war garantiert dein letzter Job in Hollywood …«
Und Braden. »Tja, diesmal hast du ganze Arbeit geleistet. Ich bin um sechs Uhr früh von einem Amok laufenden Scott Spengler geweckt worden …«
Später dann noch einmal Spengler. »Hör mal, Kennedy, könntest du Julie anrufen? Bitte … ruf sie einfach an.«
Dann wieder Kevin. »Also, ich habe keinen Schimmer, was da genau gelaufen ist. Aber was immer du getan hast, es scheint einen positiven Effekt zu haben. Ich wollte mich bloß wegen vorhin entschuldigen. Du weißt schon, die Hitze des Gefechts und so. Wir sehen uns, ja?«
Wie bitte? Und schließlich, kurz darauf, eine sehr leise, ziemlich sanft klingende Julie Teal. »Hallo, Kennedy. Julie hier. Könntest du mich bitte zurückrufen? Ich würde gerne … ruf mich bitte einfach zurück. Ich warte …«
Er hatte ihre Nummer in seiner Küche in Deeping gewählt, während er kalten Eintopf aß, den die Haushälterin ihm rausgestellt hatte, und dazu Barolo trank.
»Kennedy, hallo.«
»Hallo, Julie.«
»Ich wollte mich für vorhin entschuldigen. Ich … so hat schon eine ganze Weile niemand mehr mit mir gesprochen. Ich möchte … ich will mich bloß bedanken.«
»Dich bedanken?«
»Na ja, wenn man es bis dahin geschafft hat, wo ich jetzt bin, dann machen viele Regisseure und Autoren einfach das, was man ihnen sagt. Sie tanzen nach meiner Pfeife. Weil der Film mit mir steht und fällt. In diesem Geschäft trifft man verdammt selten jemanden, dem das, was er tut, so wichtig ist wie dir.«
Das war neu für Kennedy. Er versuchte sich zu erinnern, wann ihm zuletzt etwas wichtig gewesen war. Und stellte fest, dass er damit überfordert war.
»Ich hoffe, dass wir weiter zusammen an diesem Film arbeiten können.«
»Natürlich, Julie. Und mir tut’s auch leid. Du weißt schon, die Hitze des Gefechts und so.«
»Hey, wir sind halt Überzeugungstäter, oder nicht?«
»Das sind wir wohl.«
»Komm bald wieder nach Pinewood, ja?«
»Mach ich. Gute Nacht.«
Dann wieder
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