Strandwoelfe
Entermesser und Piken auf die Decksplanken polterten, zwischen die Toten und die stöhnenden Verwundeten.
Dann sah Bolitho, wie sein Bruder mit der Degenspitze auf einen Mann wies, der neben dem unbemannten Ruder stand.
»Lassen Sie Ihre Leute ankern. Aber wenn Sie versuchen, das Schiff zu versenken, lasse ich Sie auspeitschen.« Er steckte den Degen in die Scheide. »Und nachher aufhängen.«
Bolitho ging zu Hugh hinüber und stellte sich neben ihn. »Ganz Cornwall muß das gehört haben!«
Hugh schien nicht hinzuhören. »Es sind doch keine Franzmänner, wie ich zuerst dachte. Eher scheinen es Kolonisten zu sein.« Er wandte sich abrupt seinem Bruder zu und nickte: »Ja, das stimmt. Wir lassen die Prise hier unter Bewachung zurück. Laß zwei Schwenkgeschütze hinüberschaffen und auf die Gefangenen richten, dann teile einen Unteroffizier zur Bewachung ein. Er wird wissen, was er zu tun hat. Bestimmt würde er lieber sterben als mir zu melden, daß sie ihm entkommen konnten!«
Bolitho folgte ihm, während sein Bruder Befehle erteilte, hier Fragen beantwortete, dort eine Anordnung mit energischer Handbewegung oder mit nachdrücklich erhobener Stimme unterstrich.
Pyke rief von vorn: »Anker hält, Sir!«
»Gut.« Hugh ging zur Bordwand. »Der Rest von euch kommt mit mir. Mr. Gloag, lassen Sie ablegen und Segel setzen, bitte!« Blöcke quietschten, wie Geisterschwingen erhoben sich die Segel und trieben die Avenge r von dem Schoner frei, der narbenbedeckt und mit schwerer Schlagseite zurückblieb.
»Wohin, Sir?« Gloag blickte hinauf und musterte die Stellung der Segel. »Es ist verdammt gefährlich hier.«
»Schicken Sie einen guten Lotgasten nach vorn ins Netz, bitte. Lassen Sie ständig loten. Bei vier Faden Tiefe werden wir ankern und sofort die Boote aussetzen.« Er warf einen Blick auf seinen Bruder. »Wir dringen in zwei Gruppen landeinwärts vor, bis wir die Straße kreuzen.«
»Aye, Sir!«
Überraschend klopfte Hugh seinem Bruder auf die Schulter.
»Kopf hoch, Junge! Eine hübsche Prise, sicherlich voller Schmuggelgut, und lediglich ein paar Mann verloren! Wir können immer nur einen Schritt nach dem anderen tun!«
Als der Kutter sich dichter ans Land herantastete, verkündete des Lotgasten eintöniges Aussingen die wachsende Gefahr. Endlich, als bereits bedrohlich nahe Brandung und dahinter sich dunkel abzeichnendes Land an Steuerbord zu sehen waren, warfen sie Anker. Ohne Gloags wiederholte eindringliche Warnungen wäre Hugh sicher noch dichter unter Land gegangen, vermutete Bolitho.
Auch so beneidete er Gloag nicht um seine Verantwortung. Zwischen Sandbänken und schroffen Felsen, ohne ausreichende Besatzung vor Anker zu liegen, war schlimm genug. Aber wenn der Wind wieder auffrischen sollte, konnte er kaum verhindern, daß die Avenge r abdriftete und schließlich auf die Klippen getrieben wurde.
Falls Hugh sich dessen ebenfalls bewußt war, gelang es ihm gut, seine Befürchtungen zu verbergen.
Die beiden Boote wurden zu Wasser gelassen, und mit Ausnahme einer verschwindend kleinen Gruppe von Leuten stieg alles ein, bis an die Zähne bewaffnet. Die tief im Wasser liegenden Boote steuerten die nächstgelegene Küste an.
Noch während die Riemen sich im Takt hoben und senkten und das Land sie allmählich auf beiden Seiten umfing, empfand Bolitho die Leere und Stille. Schon das Geräusch von Gewehrfeuer hätte genügt. Die Leute, mit denen vorhin die Signale ausgetauscht worden waren, befanden sich bestimmt längst in ihren Hütten, oder sie rannten, so schnell sie konnten, zu irgendwelchen Verstecken.
Als sie endlich auf einem kleinen Sandstrand versammelt waren, auf den die See mit voller Wucht anbrandete, um dann geräuschvoll durch die Felslücken zurückzuströmen, sagte Hugh: »Wir teilen uns in zwei Gruppen auf, Richard. Ich nehme die rechte, du die linke Seite. Wer auf Anruf nicht stehen bleibt, wird unter Feuer genommen.« Dann nickte er seinen Leuten zu: »Vorwärts!«
In zwei langen Reihen stiegen sie den steilen Küstenhang hinauf.
Zunächst erwarteten sie, beschossen zu werden, fanden sich aber allmählich damit ab, daß sie allein auf weiter Flur waren.
Bolitho überquerte die schmale Küstenstraße, während seine Leute auf beiden Seiten ausschwärmten. Der Wind peitschte ihnen die flatternden Hosen um die Beine. Die Lastwagen waren wohl schon vorbeigefahren und jetzt in Sicherheit. Vielleicht konnte man die Radspuren der schwer beladenen Fahrzeuge entdecken, sofern sie auf
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