Strandwoelfe
dem felsigen Boden überhaupt welche hinterlassen hatten.
Der Seemann mit Namen Robins hob die Hand. »Sir!« Bolitho lief zu ihm hinüber. »Da kommt jemand!«
Die Seeleute schwärmten aus und verschwanden auf beiden Seiten im Unterholz. Bolitho hörte das leise metallische Klicken, als sie die Hähne ihrer Gewehre spannten.
Robins und Bolitho verharrten lautlos hinter einem sturmzerzausten Busch.
Der Seemann flüsterte plötzlich: »Da ist er wieder – betrunken, soviel ich hören kann.« Er grinste. »War offensichtlich nicht so beschäftigt wie wir!« Sein Grinsen erstarrte zur Grimasse, als sie hörten, daß der Mann schluchzte und vor Schmerzen stöhnte. Dann sahen sie ihn hin und her schwankend die Straße überqueren, beinahe fallend in seinen bemitleidenswerten Bemühungen um Eile. Kein Wunder, daß Robins ihn für einen Betrunkenen gehalten hatte. Plötzlich jedoch rief er: »O Gott, Sir! Das ist einer von unseren Leuten! Billy Snow!«
Bevor Bolitho Robins zurückhalten konnte, lief er auf den Schwankenden zu und fing ihn in seinen Armen auf.
»Was ist passiert, Billy?«
Der Mann keuchte: »Wo wart ihr, Tom? Wo wart ihr bloß?« Bolitho und ein paar andere Seeleute halfen Robins, den Mann vorsichtig auf den Boden zu legen. Wie er es geschafft hatte, bis hierher zu kommen, war ein Rätsel. Er blutete aus mehreren Hieb- und Stichwunden, und seine Kleidung war völlig blutdurchtränkt.
Als sie versuchten, seine Wunden zu versorgen, sagte Snow mit schwacher Stimme: »Erst ging alles gut, Sir, aber dann sahen wir die Soldaten. Sie kamen herangebraust wie eine Kavallerieschwadron bei der Attacke!«
Er winselte, und jemand sagte ärgerlich: »Vorsichtig mit der Wunde, Tom!«
Snow fuhr undeutlich fort: »Einige der Unsrigen riefen hurra, nur so zum Spaß, und der junge Mr. Dancer lief ihnen entgegen, um sie zu begrüßen.«
Bolitho beugte sich tief hinunter zu ihm, er fühlte des Mannes Verzweiflung, das Herannahen des Todes. »Dann, dann…«
Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ruhig, Mann, lassen Sie sich Zeit.«
»Aye, Sir.« Im fahlen Sternenlicht schimmerte sein Gesicht wie Wachs, die Augen waren fest geschlossen. Er versuchte es wieder. »Sie ritten in uns hinein wie ein Sturmwind, hackend, schlagend, stechend. Sie ließen uns keine Chance, in einer Minute war alles vorüber.«
Er hustete, und Robins flüsterte heiser: »Er geht von uns, Sir!« Bolitho fragte rasch: »Was wurde aus den anderen?«
Snow wandte mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. »Dort drüben, weiter oben, liegen sie. Alle tot, glaube ich, obwohl ein paar von ihnen in Richtung zur See geflüchtet sind.«
Bolitho wandte sich ab, seine Augen brannten und schmerzten. Seeleute liefen immer in Richtung See, wenn sie sich verraten und verloren fühlten. Das war alles, was sie wußten, ihre letzte Hoffnung. »Er ist tot, Sir.«
Sie standen um Snow herum und starrten ihn an. Wohin hatte er in seinen letzten Augenblicken flüchten wollen?
»Kommandant kommt, Sir.«
Hugh Bolitho trat, gefolgt von seinen Leuten, aus der Dunkelheit, so daß die Straße mit einem Male belebt erschien. Alle blickten auf den Leichnam nieder.
»Also sind wir zu spät gekommen.« Hugh beugte sich über den Toten. »Snow, ein guter Mann.« Er richtete sich auf und fügte abrupt hinzu: »Beeilt euch, sucht die anderen.« In der Mitte der Straße schritt er weiter, aufrecht, vollkommen allein.
Es dauerte nicht lange, bis sie die anderen fanden. Sie lagen auf der Straße oder am felsigen Abhang verstreut, und einige waren offensichtlich die Steilküste hinuntergeworfen worden.
Überall war Blut, und als die Seeleute die mitgebrachten Laternen anzündeten, glitzerten die toten Augen böse auf, als wollten sie ihre Kameraden noch im Tode für ihren Ve rrat verfluchen.
Die Wagen und Waffen der Begleitmannschaft waren verschwunden, jedoch fehlten einige von den Leuten. Bolitho vermutete, daß sie entweder in der Dunkelheit entkommen oder aber gefangengenommen worden waren. Und dies in Cornwall, seiner eigenen Heimat, nicht mehr als fünfzehn Meilen von Falmouth entfernt!
Ein Mann, den Bolitho als den Bootsmannsmaaten Mumford erkannte, kam herbei, in der Hand einen Dreispitz; er sagte bedrückt: »Ich denke, dies ist Mr. Dancers Hut, Sir.«
Bolitho nahm ihn entgegen. Er fühlte sich kalt und feucht an.
Da brachte ein Ruf sie alle in Bewegung. Jemand hatte einen verwundeten Seemann gefunden. Er lag versteckt in einer Felsspalte oberhalb der
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