Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
irgendwem.
Doch es war nicht genug Schnee gefallen, dass er stecken geblieben sein konnte. Der Truck war schwer, und er hatte Schneeketten in einer Kiste unter dem Beifahrersitz. Mein allzeit umsichtiger Dad ließ niemals zu, dass Unwägbarkeiten wie das Wetter ihm eine Operation torpedierten. Oder ihn davon abhielten, zu mir zurückzukehren.
Dann hat er angerufen, und du hast nichts mitgekriegt, weil du geschlafen hast.
Nein, das konnte auch nicht sein. Er rief nicht an. Er kam einfach nach Hause. Falls er übermüdet war oder bei dem Auftrag etwas schieflief, wäre er gekommen, um mich zu holen und aus der Stadt zu verschwinden. Das war schon geschehen. Seit er mich in dem Krankenhaus aufsammelte, nachdem Gran gestorben war, hatte er mich immer abgeholt. So zuverlässig wie der Sonnenaufgang … oder die Gezeiten.
Also ist ihm etwas zugestoßen.
Ich lehnte meinen Kopf auf die Knie und starrte auf meine Jeans, die sich um meine Knöchel knautschte. Meine Unterhose war aus weißer Baumwolle, die auf dem dunkelblauen Jeansstoff richtig leuchtete.
Die praktische Seite in mir, die sich um die Wäsche kümmerte und wusste, was in welchen Kartons war, meldete sich ruhig flüsternd. Hast du mich gehört, Dru? Ihm ist etwas zugestoßen.
»Ich weiß«, hauchte ich – das einzige Geräusch neben dem Seufzen der Heizung. Mein Herzklopfen und mein Flüstern waren laut wie Donnerkrachen, und ich hatte einen fauligen Geschmack im Mund.
Also, ihm ist etwas passiert. Vielleicht kommt er noch nach Hause.
Vielleicht. Das Beste war, ich wartete. Schließlich sollte ich auf ihn warten. Falls sein Auftrag in die Hose gegangen war, würde er hergebraust kommen, wir würden packen und die Stadt verlassen, und zwar ASAP, as soon as possible, schnellstens. So lautete das »Standard- Operations-Prozedere«. Das alte SOP, ASAP fertig zu sein, und dann hieß es CYA und BYOB, sprich: Wir sehen uns, jeder bringt sein eigenes Bier mit. All diese militärischen Abkürzungen, die aneinandergereiht eine Geheimsprache ergaben, von der die anderen in der Schule nichts wissen mussten.
Und wenn er nicht kommt? Was dann, Dru? Was ist, wenn er NICHT kommt?!
Genau daran wollte ich nicht denken. Vorher war er doch auch irgendwann zu Hause aufgetaucht, manchmal erst im Morgengrauen. Eine ganze Nacht war er bisher noch nicht weggeblieben und ebenso wenig morgens in aller Frühe aufgebrochen, ohne mir eine Nachricht zu hinterlegen. Und falls doch, rief er an. So war er einfach.
Meine Stirn und meine Wangen waren fiebrig heiß. Das Haar hing mir in strähnigen Locken herab, dunkelbraun mit goldenen Fäden, dunkler und krauser als Moms. Ich fühlte mich schmierig, und die Beule an meiner Schläfe tat weh, wie mir überhaupt alles weh tat. Mein Magen grummelte vor Hunger.
Wohl oder übel musste ich aufstehen, denn ich konnte ja schlecht ewig auf der Toilette hocken. Dad würde schon noch kommen, ganz sicher. Und so lange wartete ich eben.
In der Zwischenzeit würde ich duschen, das Haus putzen, damit ich eine Beschäftigung hatte und Dad bei seiner Rückkehr kein Chaos vorfand. Dann wäre alles wieder gut. Er könnte verletzt oder müde auftauchen, deshalb würde ich den Erste-Hilfe-Kasten bereitstellen, wie ich überhaupt auf alles vorbereitet sein wollte.
Ja, klar, Dru! Leg dir alles schön zurecht, und prompt kommt alles wieder in Ordnung. Prima!
Ich wischte mich ab, stand auf und stieg aus meiner Jeans und der Unterhose, bevor ich mit Moms Steppdecke um die Schultern in mein Zimmer zurückging. Dort nahm ich mir frische Sachen und kehrte ins Bad zurück.
Erst duschen, dann die Küche sauber machen. Danach das Wohnzimmer. Und danach den Erste-Hilfe-Kasten holen und nachfüllen, was fehlt.
Ja, das war es, was ich mir vornahm.
Und was ich tat.
Kapitel 4
A m späten Nachmittag fing es wieder an zu schneien. Es schneite große, nasse, wirbelnde Flocken aus einem Himmel, der wie weichgehämmertes Eisen aussah. Ich ging hinaus, um nach der Einfahrt zu sehen, und schlotterte in Dads grünem Army-Pullover. An Wintersachen besaß ich so gut wie nichts, eigentlich nur Sommerkleidung, weil wir uns so lange jenseits der Mason-Dixon-Linie aufgehalten hatten. Mindestens zwei Jahre hatten wir uns zwischen den Carolinas, Baton Rouge, Chattanooga, Atlanta und Florida hin und her bewegt. Ich bin eher der Hauttyp, der einen scheußlichen Sonnenbrand bekommt, danach abpellt und wieder blass ist. Aber auch mit einem Schimmer Bräune hätte ich unter diesen
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