Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
kleinen Apfelkompottklecksen.
Leider war mein Magen auf die Größe einer Zehn-Cent-Münze zusammengeschrumpft. Durch das Fenster zu klettern und »eine halbe Stunde, ehe ich gehen kann« verhießen nichts Gutes. Zumindest hatte ich das kapiert.
Jeder Anflug von Belustigung war fort, und Christophe sah auf einmal viel älter aus, obgleich sein Gesicht sich gar nicht verändert hatte. »Um dich zu suchen und mich zu vergewissern, dass du in Sicherheit bist.«
Na, wenn das nicht nett ist! Mein Herz machte schon wieder einen komischen Purzler. Ich brachte meine Knie dazu, mir zu gehorchen, und stemmte mich vom Boden ab. Meine Schulter tat höllisch weh. »Sie lassen mich nicht mal allein rausgehen.«
»Draußen bereitet mir nichts Sorgen – keine großen jedenfalls.« Christophe atmete langsam aus. Der Pullover klebte an ihm, und seine Jeans war komplett durchnässt, besonders an den Knien. Was eine andere Frage aufwarf.
»Wie konntest du überhaupt durch das Fenster hereinkommen? Und was macht dir hier drinnen Sorgen?«
»Ein Verräter.« Er blickte zum Bett, entschied offenbar, dass er sich lieber nicht dorthin setzen sollte, und streckte beide Hände in einer ungewohnt hilflosen Geste aus. »Jemand hat die Lage eines ordensgeprüften sicheren Hauses, von der nicht einmal ich wissen sollte, an Sergej weitergegeben. Was ihm zufällig möglich machte, sich auf die Lauer zu legen und auf uns beide zu warten.«
Ich bemühte mich, nicht bei diesem Gedanken zu erschaudern. Christophe, der auf der Truck-Kühlerhaube durch die Mauertrümmer geflogen war wie Superman. Graves hinter dem Lenkrad, das er panisch umklammert hatte. Und ich, die fast in Sergejs schwarzen öligen Augen versunken war. »Aber wir haben ihm einen Arschtritt verpasst, stimmt’s? Obwohl jemand uns verraten hat. Und …«
Christophe schüttelte den Kopf, und für einen kurzen Moment wirkte er traurig. Als er sich bewegte, zuckte ich zusammen, dabei lief er bloß zum Computerstuhl und setzte sich hin, worauf der Stuhl leise knarrte. »Es ging unentschieden aus, Dru, und auch das nur knapp. Wäre es nicht Tag gewesen und hätten Juan und die anderen nicht auf mich statt auf die Anweisung von oben gehört, hätte dein Freund mir nicht vertraut und hättest du Sergej nicht geschickter und stärker bekämpft, als irgendjemand erwartete, hätte, hätte, hätte. Du wärst gestorben.« Seine angewiderte Grimasse verschwand so schnell wieder, dass ich sie mir nur eingebildet haben könnte. »Ich hätte dich verloren.«
Das sagte er, als wäre es ihm gerade erst aufgegangen.
Wieder legte sich beklemmendes Schweigen über den Raum, drückte gegen die Vorhänge und ließ das regengedämpfte Licht noch matter erscheinen. Ich starrte Christophe an.
»Und du solltest nicht hier sein.« Er holte tief Luft. »Ich hatte gedacht, dass sie dich längst zur Haupt-Schola geschickt haben. Ich weiß nicht, warum sie dich in dieser kleinen Schule untergebracht haben, bei diesen … nun ja, Typen.«
Tja, diese Frage hatten wir schon beantwortet: Das hier war nicht die einzige Schola. Aber worüber regte er sich auf? »Was für Typen? Die Werwölfe? Hier sind auch Djamphire, falls du es noch nicht weißt.«
»Egal. Vielleicht … haben sie beschlossen, dass du in einer kleineren Schule sicherer bist. Was es für mich einfacher macht.«
»Was einfacher?« Ich klang eindeutig misstrauisch. Wieder glühten meine Wangen, und meine Knie fühlten sich nicht allzu fest an.
»Zum Beispiel über mein sorgloses kleines Vögelchen zu wachen, bis es erblüht. Diese Schola kenne ich ziemlich gut. Und, nein, deine Mutter war nie hier.«
Danke, Christophe. Das habe ich nicht gefragt. Aber es tat irgendwie gut, es zu wissen. Die stillen Pausen zwischen uns wurden zunehmend unheimlicher, und beinahe hätte ich meine Schultern hochgezogen. »Was hast du mir sonst noch verheimlicht?«
»Nichts Wichtiges. Nichts Lebenswichtiges jedenfalls. Aber du willst, dass ich erzähle?« Er neigte sein Kinn und sah mich an. »Also, Skowroneczko moja, komm her, setz dich zu meinen Füßen und lausche! Wir haben nicht viel Zeit, und ich muss dir etwas geben.«
Kapitel 5
I ch hockte auf meinem Bett, die Arme um meine Beine geschlungen. Ab und zu bewegte ich mich, damit meine Beine nicht einschliefen. Die meiste Zeit jedoch saß ich einfach da und starrte in das fahlgraue Tageslicht, während Windböen Schneeregen an die Fensterscheiben klatschten. Er war durch das Fenster hinausgeklettert und
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