Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
meinen Kopf, dann folgte das Schlagen plusteriger Flügel, bevor der Werwolf nach vorn kippte und seine kalte Nasenspitze für einen Moment gegen meine Wange drückte. Gleich darauf war er fort. Er rannte über die kleine Lichtung, humpelnd und hauptsächlich die linke Vorderpfote belastend. In dem Augenblick, in dem er zwischen den Bäumen verschwand, hörte ich, wie mein Name gerufen wurde.
»Dru! Dru! Verdammt, Dru, wo steckst du?« Das war Graves, der heiser nach mir schrie, und ich wunderte mich ein bisschen. Noch mehr staunte ich allerdings darüber, dass ich nicht tot war. Der Nebel hatte sich inzwischen vollständig verzogen, und die vereisten Bäume glitzerten silbrig im Mondschein.
Ich sank an den Baum. Überall an meinen dreckigen Sachen dampfte Vampirblut auf, und ich tat das Unangebrachteste, was man in solch einer Situation tun konnte.
Ich fing an zu lachen. Es war ein hohes, pfeifendes Lachen, genauso irrsinnig wie der Blick in Ashs Augen eben.
Kapitel 10
D ass ich das richtig verstehe«, setzte Dylan an, dessen Haar wirr und zerzaust war, weil seine Gabe sich bemerkbar machte, auch wenn er sich sichtlich bemühte, die Fassung zu wahren. Dass seine Reißzähne fortwährend länger und wieder kürzer wurden, stimmte nicht gerade froh und war auch nicht hilfreich. »Drei tote Nosferatu auf deiner Fährte, du bist durchgeprügelt und blutbesudelt und erinnerst dich nicht, was passiert ist?«
Ich konnte nicht aufhören zu bibbern, also nickte ich bloß. Schlammiges Wasser tropfte aus meinem Haar, und ich stank, als wäre ich in irgendetwas Verwesendes getunkt worden.
Graves hatte den Arm um die Decke gelegt, in die er mich gewickelt hatte, und gestikulierte ungeduldig. »Komm schon, lass uns irgendwohin gehen, wo es warm ist!« Er funkelte Dylan verärgert an und wollte mit mir den Hügel hinaufgehen, wobei er mich stützte.
»Warte kurz, verdammt!« Dylan hielt gar nichts von alldem. »Es wurde in die Schola eingebrochen. Sie sind geradewegs in ihren Klassenraum marschiert. Irgendwie konnte sie einem Trio von Jägern entkommen, von denen wir keinen einzigen bisher identifizieren können, und alle drei wurden hier draußen im verfluchten Wald ausgeweidet. Sie muss uns erzählen, was passiert ist, damit …«
»Sie an Unterkühlung stirbt? Super Plan! Oh Mann, ihr Typen seid echte Idioten!« Graves’ Mantelenden flogen auf, als er sich wieder umdrehte und schneller ging. »Guck sie dir doch an, Alter! Sie hat blaue Lippen und ist voller Dreck. Blutet sie womöglich? Kratzt dich das überhaupt? Also echt, mich wundert nicht, dass es hier keine Mädchen gibt!«
Zwar kapierte ich nicht, was das mit irgendetwas zu tun hatte, aber ich lachte schon wieder hicksend und halb hysterisch. Gleichzeitig schaute ich mich um und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ich weißes Mondlicht sah.
Dylans Augen glitzerten in der Dunkelheit. »Halt die Klappe, Hundejunge! Nur weil du unter deinesgleichen ein Prinz bist, kannst du noch lange nicht …«
Die Wutblase in mir brodelte auf. Diese Szene wurde allmählich lachhaft. Andererseits war ich froh über meine Rage, die allemal besser war als die taube, panische Benommenheit. »Dylan«, hörte ich mich zwischen zwei Kicherlauten sagen und schnaubte, weil ich Schlamm in der Nase hatte. »Beschimpf ihn noch ein Mal, und ich schlag dir die Zähne aus!« Ich stellte fest, dass meine nassen Füße tatsächlich Halt auf dem Boden fanden und, noch besser, dass meine zitternden Beine mich nach wie vor trugen. »Graves …« Weiter kam ich nicht, weil ich würgen musste.
»Entspann dich, Süße!«, murmelte Graves. Sein Arm lag fest um meinen Schultern und zog mich näher an seinen warmen Körper. Von dem Essen hier wurde er ganz schön kräftig, aber vielleicht fühlte ich mich auch bloß kleiner denn je. »Oh Gott!«
Ja, ich fühlte mich klein, verwundbar und sehr, sehr verängstigt.
Dylan schüttelte den Kopf, als hätte ich gar nichts gesagt. »Wieso hast du die Schola verlassen, Dru?«
Weil etwas gekommen ist, um mich zu töten, blöde Frage! Wenn Grans Eule auftaucht, folge ich ihr, so einfach ist das. Ich war viel zu müde, als dass ich es ihm lang und breit erklären wollte.
Eine Gruppe laufender Gestalten sammelte sich oben auf dem Hügel. Einige von ihnen hatten daran gedacht, Taschenlampen mitzubringen, deren goldene Strahlen durch die Dunkelheit wippten. Es war sinnlos, denn Djamphire wie Werwölfe konnten um ein Vielfaches besser im Dunkeln sehen als ein
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