Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
gelang es mir, ein paar Stunden zu schlafen. Kaum hatte ich ihn dort angebracht, empfand ich eine intensive, wenn auch leider kurze Erleichterung. Ich stolperte zu meinem Bett, fiel der Länge nach auf den Überwurf und wachte erst auf, als ein Strahl schwachen kalten Morgenlichts durch den Nebel und das Fenster auf das Fußende traf.
Meine innere Uhr war mittlerweile restlos durcheinander, weshalb es ihr nichts auszumachen schien. Außerdem hieß, sich tagsüber zu bewegen, dass keine Blutsauger unterwegs waren und die meisten Lehrer schliefen.
Ich stand vor dem Badezimmerspiegel und ratterte sämtliche Schimpfwörter herunter, die ich kannte.
Du kannst das!, sagte ich mir zum hundertsten Mal. Klar kannst du. Das ist wirklich nichts Besonderes. Regentrübes Tageslicht mühte sich durchs Fenster in das blaue Zimmer. Ich sah noch einmal auf meine Turnschuhe und rieb mir die Hände am Pullover ab. Unruhig schritt ich quer durch den Raum, sank auf die Knie und sah unters Bett, wie die schimmernden Holzbögen Staub ansetzten.
Wann kam Christophe zurück? Diesen Gedanken schob ich gleich wieder weg. Es bestand kein Grund, weshalb ich nicht versuchen sollte herauszufinden, wer hinter mir her war, und dazu brauchte ich Verbündete. Die Djamphir- Jungen wären mir keine Hilfe, also blieben nur die Werwölfe, und Graves hatte gesagt …
In diesem Moment wurde zweimal geklopft. Ich sprang auf, rannte zur Tür und riss sie auf. Dort stand Graves. Der Flur war schattig, so dass seine Augen unter dem wirren Haar grün funkelten. Er schüttelte es nach hinten und bedachte mich mit einem verschwörerischen Grinsen, ehe er seinen Finger an die Lippen legte.
Ich nickte. Graves musterte meine Kleidung – Jeans, Thermoshirt unter einem großen grauen Wollpullover, Turnschuhe, das Medaillon meiner Mom sicher versteckt – und zuckte mit den Schultern.
Vermutlich dachte er, ich würde frieren oder so, aber das stimmte nicht. Wenn wir das hier durchzogen, würde ich eher schwitzen.
Keine Panik, Dru, los jetzt, Kopf hoch!
Außerdem war mir kalt, tief drinnen, und dagegen konnte auch noch so viel Wolle nichts ausrichten. Wer würde in mein Zimmer gehen, Christophes Haar wegnehmen und eines von seinen dort lassen? Das war völlig unsinnig.
Außer, es war Blondie, der Lehrer, und er hätte einen Grund, jemandem – vielleicht Anna – zu sagen, dass Christophe sich in meinem Zimmer aufgehalten hatte. Ich wusste nicht, was dann passieren würde, nur dass es gewiss unerfreulich wäre.
Aber in diesem Fall wäre ich wohl schon längst aus dem Bett gezerrt und ausgefragt worden. Ich redete mir ein, dass ich mich entspannen sollte, dass mir schon noch etwas einfiel. Leider glaubte ich nicht einmal mehr meinem eigenen guten Zureden.
Und was zur Hölle hatte ich vor? Zum Kneifen war es zu spät. Und Graves …
Er winkte mir. Ich ging aus dem Zimmer und folgte ihm den Flur hinunter. Wir schlichen durch die taghelle schlafende Schola. Ein paarmal blieb er stehen, hob eine Hand, und wir warteten einen Moment oder schlugen einen anderen Weg ein.
Wie es aussah, hatte er in den letzten drei Wochen jede Menge Erkundungstouren unternommen. Was mich nicht überraschte. Seine Umgebung zu kennen, war eine sinnvolle Strategie, und auch ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung von dem Gebäude. Sie hätte allerdings besser sein können. Aber dazu hätte ich gleichfalls herumlaufen müssen, statt schmollend vor der Waffenkammer oder in meinem Zimmer herumzuhängen.
Hätte, sollte, könnte, Dru. Du bist sowieso nicht mehr lange hier. Ich ging vorsichtig, atmete durch den Mund, und schließlich landeten wir in einem betonierten Gang irgendwo unten im Gebäude. Graves lief scheinbar wahllos einmal nach links, einmal nach rechts, bis wir nach rechts in einen Flur bogen, an dessen Ende sich nur eine schlichte Tür befand. Graves stellte sich auf Zehenspitzen und griff nach oben, wo er irgendetwas mit der kleinen Plastikdose anstellte, die über der Tür an der Wand hing. Kabelenden ragten unter seinen flinken Fingern hervor, und er schwang grinsend die Tür auf, durch die Vormittagssonne hereinfiel. Wir schritten aus der Schola.
Ich holte tief Luft. Modriges Laub, nasse Erde, Regen im Wind, der die Locken kräuselte, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatten. Das Licht auf mir fühlte sich gut an. Wahrscheinlich würde in der Dämmerung wieder Nebel einsetzen, aber jetzt hatten wir einen klaren blassblauen Himmel und eine Sonne, die wie
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