Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
ist eine gute Idee, vertrau mir!«
Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich den Goth glücklich sah. Die meiste Zeit kam er bloß irgendwie mit allem klar. Jetzt hingegen wirkte er ganz schön klug und munter, so wie er seinen Kopf in die Höhe hielt und das Haar nach hinten geworfen hatte. Die Wesensmerkmale des Gestaltwandlers schienen durch, ein klein wenig anders als die Ausstrahlung eines Werwolfs, aber Lichtjahre entfernt von der makellosen Schönheit eines Djamphirs.
Glücklich zu sein stand ihm, denn dadurch bekamen seine Züge etwas Kräftiges, statt irgendwie unausgewogen zu scheinen – mit den hohen Wangenknochen, der großen Nase, dem zu starken Kinn. Ja, er sah neuerdings deutlich besser aus. Oder zumindest nicht mehr so komisch.
Ich betrachtete ihn so aufmerksam, dass ich auf dem unebenen Weg stolperte, mich aber abfangen konnte. Halb laufend eilte ich neben ihm her, streifte kahle Sträucher und tote Zweige. Graves schwenkte nach links, als der Weg sich gabelte, und wir kamen zu einer kleinen Lichtung im Waldstück westlich der Schola. Hier standen die Bäume dicht an den Gebäuden. Etwa fünfzehn Wölfe hatten sich an der Stelle versammelt.
Sie alle erstarrten, als sie mich sahen. Dibs gab einen Quieklaut von sich und zog die Schultern ein. Ich versuchte, nicht auf sein Haar zu starren, während mir das Herz bis zum Hals schlug.
»Scheiße, was macht die denn hier?«, knurrte Shanks, und sogar sein Emo-Mopp plusterte sich auf.
»Sie kommt mit uns«, erwiderte Graves nicht den Hauch unsicher.
»Die Blutlinie beobachtet sie«, sagte ein anderer Junge, der sich von einem umgekippten Baumstamm erhob, auf dem er gesessen hatte, und auf die laubbedeckte Erde hinuntersprang. »Außerdem ist sie langsam und ungeschickt. Wir warten auf keinen.«
»Ich habe sie aus der Schola bekommen, ohne dass jemand was gemerkt hat.« Graves verschränkte seine Arme vor der Brust. »Sie hält unser Tempo schon.«
»Oh bitte! Sie ist eine von denen! « Bei Shanks hörte es sich an, als hätte ich eine eklige ansteckende Krankheit.
Graves zog seine Oberlippe ein bisschen hoch. »Sie gehört zu mir. Hast du damit ein Problem? Willst du dir mal wieder von einem Mädchen den Arsch versohlen lassen?«
Ich bemühte mich, gefährlich auszusehen, was wahrscheinlich nur bewirkte, dass ich nachdenklich guckte. Oder wie jemand mit schweren Verstopfungen. Aber Dibs blickte zu mir und – man höre und staune – zwinkerte mir zu. Sonnenlicht schimmerte auf seinem Butterblumenhaar, und ich bemerkte ein aufmunterndes Lächeln, ehe er wieder nach unten sah.
Niemand sonst bekam es mit. Na ja, ich konnte mir sowieso nicht vorstellen, dass Dibs sich in mein Zimmer schlich und irgendetwas klaute.
Shanks verzog den Mund zu einem stummen Knurren. »Falls sie mit uns erwischt wird, ist sie bestimmt nicht diejenige, die sie bestrafen. Hast du ein Faible für Nachsitzen? Was ist eigentlich mit dir los?«
»Es wird Zeit, dass sie mehr über die Schola erfährt«, antwortete Graves gelassen. »Falls sie erwischt wird, bestrafen sie mich. Es war schließlich meine Idee, und Jammern über Nachsitzen ist was für Weicheier. Also, ziehen wir das jetzt durch, oder wollt ihr weiter hier rumstehen und die Lefzen kräuseln?«
»Mir gefällt das nicht.« Diese Worte kamen von einem schlaksigen blonden Werwolf mit Pausbacken und strohblondem glattem Haar, der neben Dibs stand. »Sie ist garantiert zu lahm.«
»Ist sie nicht.« Graves rollte seufzend die Augen. »Laufen wir jetzt oder nicht?«
»Lasst sie es doch ruhig versuchen«, meldete sich ein kleiner gedrungener Wolf zu Wort, dem dunkle Stoppeln auf den blassen Wangen sprossen. »Wenn was passiert, verpetzt sie uns ganz bestimmt nicht. So ein Typ ist sie nicht.«
»Genau«, bestätigte Dibs voller Inbrunst, allerdings ohne aufzusehen. »Dru verpetzt uns nicht. Sie ist nett, nicht so wie die. Die würden uns nicht mal als Fußabtreter benutzen.«
Schweigen. Alle standen da und dachten nach. Das war klassisch für Werwölfe: Sie brauchten für alles ewig. Ehe sie irgendetwas taten, mussten sich alle einig sein. Na ja, bedachte man, dass sie diese Zähne und Klauen hatten, ergab es wohl einen Sinn, denn wenn sie nicht imstande wären zu kooperieren, würden sie sich über kurz oder lang selbst ausrotten.
Endlich ging ein Murmeln durch die Runde. Ich überlegte, ob ich eine vertrauensvolle Miene aufsetzen sollte. Dafür, dass ich einige Geheimnisse mit mir herumschleppte, klappte es
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