Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
meiner Seite stünde? Und was sollte Annas Theater mit der Akte und den Bildern von dem Haus, vor dem meine Mutter gestorben war?
Ich erinnerte mich nicht genug an jene Nacht, in der Mom starb. Ich wollte mich gar nicht daran erinnern. Mein Gott, ich war fünf Jahre alt gewesen!
In Gedanken versuchte ich, das Durcheinander zu entwirren. Christophe sagte, dass Dylan loyal wäre. Ich hatte diese Nachricht wie ein Bote von einem zum anderen gebracht, und Dylan sollte auf mich aufpassen, wenn es noch einen Vampirangriff gab. Aber ich durfte niemandem, nicht einmal Dylan, verraten, dass ich Christophe getroffen hatte.
Was vollkommen bescheuert war. Leider war ich so verwirrt gewesen, weil Christophe sich an mich gepresst hatte …
Daran solltest du wirklich nicht denken, Dru! Verdammt! Und woran sollte ich sonst denken? An das einzelne blonde Haar auf meinem Nachtschrank? An andere Geheimnisse, andere Lügen, die mich langsam, aber sicher erdrückten?
»Irgendwas stimmt nicht«, mischte ein anderer Wolf sich ein. »Die beobachten sie bloß. Und dann das neulich Nacht.«
»Ja.« Graves lehnte sich neben mir nach vorn. Er hatte immer noch nicht seinen Mantel ausgezogen, und ich verstand sehr gut, warum nicht. In dem Klassenraum war es kalt, vor allem weil wir alle verschwitzt hereingekommen waren. »Keiner kam, um sie aus der Klasse zu holen und auf ihr Zimmer zu bringen. Ist das nicht verdächtig, so wie die sie die ganze Zeit bewachen?«
Ich blickte auf die rissige Tafel. Wie lange war es her, seit ich eine echte Kreidetafel gesehen hatte? An den meisten Schulen gab es heute diese Whiteboards. »Dylan hat gesagt, er weiß nicht, wer an dem Abend auf mich aufpassen sollte. Der Dienstplan ist weg, und …« Ich verstummte mitten im Satz. Vertraute ich Dylans Wort zu blind? Außerdem hätte ich ohnehin nicht fortfahren können, ohne die ganze Anna-Geschichte zu erklären.
Und ich war ziemlich sicher, dass es keine gute Idee wäre, über eine andere Svetocha zu reden, wo sie doch angeblich ein Riesengeheimnis darstellte.
Es sah allerdings nicht aus, als wäre ich ein solch großes Geheimnis. Hatte Ash jeden der Blutsauger im Wald getötet? Wenn Sergej sie geschickt hatte und keiner zurückkam, wüsste er nicht genau, ob ich hier war – außer, der Verräter, wer immer er war, konnte es ihm sagen. Oder beim nächsten Angriff überlebte ein Blutsauger und erzählte es ihm.
Die Puzzleteile fügten sich in meinem Kopf zusammen. Christophe musste das klar gewesen sein – deshalb wollte er zurückkehren, um mich hier herauszuholen.
Ob er es rechtzeitig schaffte, stand in den Sternen. Mein Mund wurde trocken, und mein Herz wummerte immer noch ziemlich.
»Mist!« Shanks rieb sich das Kinn. »Das wusste ich nicht.« Einen Moment lang betrachtete er mich mit seinen dunklen Augen. »Stimmt das?«
Ich nickte. »Irgendjemand sollte kommen und mich holen, oder der Lehrer hätte mich zu meinem Zimmer bringen müssen. So war es jedenfalls bei den anderen Malen. Aber diesmal verschwand Blondie, sowie die Klasse draußen war, und es kam keiner sonst.«
»Blondie?« Jemand kicherte. »Oh, wow!«
»Kruger.« Shanks wirkte nicht amüsiert. »Und seine hilfreichen Vorträge. Also, wie bist du da rausgekommen?«
»Ich hab …« Meine eingetrichterte Gewohnheit, den »Hinterwäldlerhokuspokus« für mich zu behalten, ließ mich verstummen. Andererseits … zumindest dieses eine Geheimnis konnte ich ruhig loswerden. »Ich habe eine Eule gesehen. Die Eule meiner Großmutter. Wenn es Ärger gibt, taucht sie auf und sagt mir, dass ich wegmuss.« Ich atmete tief durch. »Also bin ich losgelaufen. Aber als ich draußen war, na ja, da sah ich einen Werwolf.«
»Wen?« Shanks konnte mit diesen Augen wahrlich Löcher in Leute bohren. Er beugte sich vor, angespannt und erwartungsvoll, als könnte ich irgendetwas aus der Tasche zaubern, das er jagen und zerbeißen durfte.
»Sein Name ist Ash. Er hat einen Streifen am Kopf …«
»Er ist ein Gebrochener«, fiel mir einer der anderen Jungen ins Wort. »Der letzte Silverhead. Der Wolf von Ihr-wisst-schon-wem.«
Shanks winkte ab. »Ja, ich weiß von den Silverheads. Und du hast ihn gesehen?«
»Ich habe ihn nicht bloß gesehen. Er hat die Blutsauger umgebracht, die mich jagten. Hinterher war er ganz schön ramponiert. Er hat an mir geschnüffelt, aber er hat mir nichts getan.« Das kam falsch heraus. »Ich meine …«
»Er hat an dir geschnüffelt?« Jetzt hatten auf einmal alle
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