Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
wartest, bis Daddy von der Arbeit nach Hause kommt.«
Das ist alles ganz falsch. Manchmal verstecke ich mich in dem Wandschrank, um Daddy zu erschrecken, aber doch nicht mitten in der Nacht und erst recht nie in einem Loch im Fußboden. Ich hatte ja gar nicht gewusst, dass hier eine Luke war. »Ich mag nicht«, widerspreche ich und will rausklettern.
»Dru!« Sie packt meine Arme so fest, dass es für einen kleinen Moment weh tut, ehe sie ihren Griff lockert. »Es ist sehr wichtig, Kleines. Ein ganz besonderes Spiel. Versteck dich hier, und wenn Daddy nach Hause kommt, findet er dich. Jetzt sei ein braves Mädchen, und leg dich hin!«
Ich jammere ein bisschen. »Ich will nicht.« Aber ich bin ein braves Mädchen, und ich bin müde. Also lege ich mich in die Höhle, die dunkel und warm ist, und der Schatten auf Mommys Gesicht wird größer. Nur ihre Augen glitzern, leuchten sommerblau. Sie deckt mich zu und lächelt, bis ich meine Augen zumache. Bald schlafe ich ein, doch bevor ich ganz weg bin, höre ich noch etwas. Sie hat den Deckel über dem Loch wieder geschlossen. Alles ist stockfinster. Aber es riecht nach ihr, und ich bin schrecklich müde.
Dann höre ich ganz leise, wie die Wandschranktür geschlossen wird, gefolgt von einem Kratzen. Unmittelbar bevor der Traum endet, ertönt ein langes, tiefes, eisiges Lachen, als versuchte jemand, mit dem Mund voller Rasierklingen zu sprechen, und ich weiß, dass meine Mutter ganz in der Nähe ist, dass sie verzweifelt ist und das gleich etwas sehr Böses geschieht.
Ich schlage die Augen auf. Sonnenlicht strömt durch das Fenster herein, vorbei an den Vorhängen.
Dinge gingen nicht nur ein Mal schief. Sie gingen so lange schief, bis sie explodierten und man sie unmöglich wieder zusammenfügen konnte. Wäre ich jetzt mit Dad unten im Süden gewesen, hätten wir uns zum Aufbruch bereitgemacht, uns um irgendetwas gekümmert – eine Poltergeistplage, Fluchärger, Kakerlaken- oder Krokogeister, egal was. Oder er hätte sich zum Ausgehen fertig gemacht und ich das Abendessen gekocht: in der Küche herumgewuselt, während er Magazine lud oder Weihwasserampullen befüllte und manchmal Zwanzig-Jäger-Fragen mit mir spielte. Dabei fragte er schnell und wie aus der Kanone geschossen, und ich antwortete, meistens richtig. Jede richtige Antwort brachte mir ein Lächeln und ein »Braves Mädchen! Hier kommt die nächste, Dru« ein.
Die Fragen reichten von Wie erledigst du einen Poltergeist? bis Wie lauten die Regeln in einer Bar voller Anderer?. Und musste ich länger als dreißig Sekunden überlegen, ließ er mich nicht hängen. Dann sprang er ein und erklärte mir die Antwort. Im Gegensatz zu vielen anderen, die sich gern Lehrer schimpften.
Sag es, Dru! Sag es laut!
»Nein.« Meine eigene Stimme erschreckte mich. Hier saß ich in diesem Zimmer, das eigentlich ganz hübsch war, aber auch kalt und unpersönlich. Außerdem nicht sicher. Dylan hatte mich eben zurückgebracht, zusammen mit der Waffe, der Mitschrift und einer Warnung.
Traue niemandem! Falls wir wieder angegriffen werden, versteck dich! Sag niemandem, wo du dich versteckst, bis Entwarnung geläutet wird! Nimm die Waffe mit, und versteck sie um Himmels willen gut!
Und das Beste kam unmittelbar, bevor er meine Tür schloss.
Ich versuche, Christophe zu finden. Er muss wissen, dass wir zur Sperrzone gemacht wurden und die Wampyr- Angriffe zunehmen. Wir müssen dich von hier wegschaffen.
Da saß ich nun, vergeblich bemüht, nicht an das zu denken, was mir durch den Kopf ging. Sprich es aus, Dru! Sag es ruhig laut!
»Er ist weg«, flüsterte ich.
Hauptsächlich hatte Gran mich aufgezogen, bis sie starb und ich mich eine schreckliche Nacht lang im freien Fall befand, bevor Dad auftauchte, der Unmengen Papiere unterschrieb und mich mitnahm. Ich hatte nie erfahren, woher er es wusste, aber, nun ja, Gran hatte ihn schließlich auch großgezogen. Dad hatte nicht viel auf »diesen Hinterwäldlerhokuspokus« gegeben, trotzdem hatte er verstreutes Salz über seine Schulter geworfen.
Man musste ein Idiot sein, es nicht zu tun, wenn man Dinge jagte, die gern mal nachts heulend und krachend loswüteten.
Außerdem hatte er ab und zu Dinge einfach so gewusst. Er lachte nie, wenn andere über Intuition redeten. Und an meiner hatte er eigentlich nie gezweifelt.
»Er ist wirklich fort.« Es hörte sich noch schlimmer an, als ich es wiederholte. Es war, als hätte ich gerade erst begriffen, dass ich nicht träumte, dass ich
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