Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
nicht.«
Hier oben? Ich stöhnte. Sagte das nicht jeder zu mir: Vertrau mir, Dru! Glaub mir, Dru! Lass mich machen, was ich will, Dru!
Ich war hilflos, die ganze Zeit hilflos gewesen. Und der Gedanke, dass Christophe vielleicht nicht wiederkam, um mich zu holen, dass er mich als Köder benutzte und ich länger hier feststecken würde – nun, der reichte, um mir die Kraft für einen Streit zu rauben.
Meine Schultern sackten ein. Als ich mir über die Wangen wischte, wurden meine Finger nass.
Ich folgte ihm.
Kapitel 18
I ch verbrachte reichlich Zeit damit, Jungen durch lange Flure mit kahlen Steinwänden zu folgen. Dylan schwieg zunächst und führte mich stumm in den Nordflügel. Trotz der schweren Engineerboots bewegte er sich lautlos und mit der eigenartigen Eleganz eines Kouroi. Ich hatte das Gefühl, dass seine Lederjacke nur um des Effekts willen quietschte.
Schließlich musste ich etwas fragen: »Die Wölfe kriegen doch keinen Ärger, oder?«
»Natürlich nicht. Ich bin keiner von den Hochmütigen.« Er schloss eine Holztür auf, blieb kurz stehen und holte tief Luft. »Es gibt so viel mehr, als du bisher erfahren hast. Ich habe mich gewundert, dass sie dich hierherschickten, und erst recht erstaunte mich die Weisung, dass du ›dich erholen sollst‹ und deshalb weder einen festen Unterrichtsplan noch Tutoren oder Leibwächter zugeteilt bekämst.« Sein Tonfall wurde verbittert. »Als Milady sich dann noch einmischte, wurde ich stutzig. Wenn Milady ihre Nase in Angelegenheiten steckt, muss man auf der Hut sein.«
Milady? »Du meinst, die Kuh, die neulich hier war?« Dieselbe, die es für unglaublich wichtig hält, dass ich Christophe hasse? Er hatte sie auch so genannt.
»Die ›Kuh‹ ist die Königin des Ordens, Dru, und die Ratshöchste. Svetocha sind kostbar. Milady wurde ungefähr fünfzehn Jahre vor deiner Mutter vor einem Nosferat gerettet, und ich denke, in jenen Jahren entwickelte sie einen ganz eigenen Ehrgeiz. Ich frage mich …« Zu meinem Verdruss brach er den Satz ab, so dass ich nicht erfuhr, was er sich fragte. »In der Haupt-Schola hättest du alles, was dein Herz begehrt. Wir hingegen müssen improvisieren, weil uns die Mittel gekürzt wurden. Ich dachte, sie würden dich weiterschicken, sobald die nötigen Vorkehrungen getroffen sind. Auf jeden Fall hätte ich erwartet, dass sie einen ganzen Trupp Lehrer für dich schicken und einen Bodyguard – oder fünf, wie Milady sie hat. Aber das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen, heißt es von oben. Du wärst besser geschützt, je weniger Schutz du hast, weil dann nicht auffällt, dass du noch lebst, und Sergej auf besondere Maßnahmen achtet.«
Als er den Namen aussprach, wurde die Luft nicht schlagartig kalt und abweisend. Dennoch jagte er mir einen fast schmerzlichen Stich durch den Kopf. Das ergab eigentlich keinen Sinn. »Das klingt doch alles völlig absurd!«
Dylan bleckte die Zähne zu einem breiten freudlosen Lächeln. »Ja, dasselbe dachte ich auch. Aber mich haben sie schon degradiert, diese winzige Sonderschule für Kanonenfutter in der Einöde zu leiten, folglich kommt es mir nicht zu, nach dem Warum zu fragen.«
Ah, wie überaus gar nicht beruhigend! »Warte mal …«
Mit einer blitzschnellen Bewegung wischte er die Vergangenheit weg. Seine Lederjacke knarrte. »Bedenkt man die Tatsache, dass Christophe dich gefunden hat, stellt sich die Frage nach seiner Loyalität, denn vergessen wir nicht, dass du … wer du bist.« Er stieß die Tür auf und bedeutete mir hineinzugehen. »Ich sitze hier schon sehr lange fest. Meine eigene Loyalität, gegenüber deiner Mutter und Christophe, kam mich beruflich teuer zu stehen, gelinde gesagt.«
»Dann …« Ich wollte etwas sagen, nur leider hatte ich keine Ahnung, was oder wie, also fing ich noch einmal an: »Okay. Kannst du mir einen Gefallen tun und von Anfang an erzählen? Was zum Teufel mache ich hier?« Bin ich ein Köder?
Aber ich fühlte Christophes Wärme an meinem Körper und konnte es nicht glauben. Wollte es nicht – egal, wie naheliegend Graves’ Vermutung sein mochte.
Das Zimmer war lang und niedrig, fensterlos und voller Metallregale mit Kartons. Sie zogen sich weit nach hinten, und die einzige Beleuchtung bestand aus Birnen hinter dicken Drahtglasschirmen, die ihrerseits von Spinnweben umwickelt waren. Es sah aus wie ein verlassener Bombenkeller, und die Regalreihen schienen endlos.
»Ich denke, dass du hier bist, weil jemand Zeit schinden will. So
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