Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
Haus, das nun offiziell mir gehörte, war fest verschlossen, und die Schlüssel hingen an meinem Bund – der wiederum in dem Truck sein dürfte, den Christophe versteckt hatte.
Aber es gab noch einen anderen Schlüsselbund, und wo der war, wusste ich genau: in einer Metallkiste, die unter einem großen Findling lag, den Gran bei jedem Vollmond mit Milch begossen hatte.
Wie sie auch an jedem Neumond die Tür verriegelt hatte. So ließen sie ihr Haus in Ruhe. Das war noch ein Grund, weshalb ich jedes Mal erschauderte, wenn ich an Feen dachte.
Nichts machte einen so verlässlich nervös, wie auf den Einbruch der Nacht zu warten. Der Plan fügte sich in meinem Kopf zusammen, und ich wünschte wirklich, ich wäre irgendwie an einen Wagen gekommen – ganz gleich, an was für einen. Wie schafften sie das Essen in die Schule? Wer machte die Wäsche?
Ein höchst passender Zeitpunkt, um mir zu wünschen, dass ich mich mehr umgesehen hätte, anstatt in meinem Zimmer zu schmollen und die ganzen Kurse zu schwänzen. Andererseits hätte ich sowieso nichts Brauchbares gelernt, wäre ich zum Unterricht gegangen, schätzte ich. Eher sah es aus, als wollten sie exakt das verhindern.
Also: kein Auto, nur ich. Es gab eine einsame kleine Straße, die von der Schule weg zu einer entfernten Landstraße führte, so weit entfernt, dass ich von dort nicht einmal das Dach der Schola gesehen hatte.
Die Landstraße bestand aus zwei Asphaltspuren ohne Fahrbahnmarkierungen mit tiefen Gräben zu beiden Seiten. Sie zog sich durch den Wald, der nur hier und da von Feldern unterbrochen wurde. Gleich am Anfang lag der kleine Ort, in den die Wölfe immer rannten. Dort konnte ich eine Karte kaufen und …
Und was dann? Du kennst niemanden in dieser Gegend, und jeder, den du kontaktierst, bedeutet nur ein neues Fragezeichen. Wenn August zum Orden gehört, könnten es auch andere Freunde von Dad. Und wenn er verschwunden ist, wer sagt dir, dass es die anderen nicht ebenfalls werden, sobald du sie um Hilfe bittest?
Vor lauter Nachdenken brummte mir schon der Schädel. Der wesentliche erste Schritt aber bestand darin, hier herauszukommen. War ich erst unterwegs, konnte ich mir alles andere immer noch überlegen.
Graves und Christophe hatten beide gesagt, dass es für Vampire leichter wäre, mich zu töten, wenn ich mich außerhalb einer Schola herumtrieb, sogar einer kleinen wie dieser.
Nur mussten sie mich dazu erst einmal finden.
Ich stand auf und ließ die Tasche auf dem Bett. Was zog man an, wenn man um sein Leben rannte? Mehrere Schichten übereinander, Stiefel, weil die Füße entscheidend und Turnschuhe zu dünn waren, und Wolle. Graves’ Hemd war in der Wäscherei; bei diesem Gedanken wurde mir ein bisschen mulmig.
Ich fühlte mich, als wäre ich eben aus einem langen Winterschlaf erwacht. Vor allem konnte ich nicht aufhören zu zittern.
Kapitel 19
E s wurde früh dunkel, denn von Nordosten zogen graue Wolken auf. Der Himmel wandelte sich in ein Stahlblau, und Donner grollte in der Ferne. Nebel stieg seltsamerweise nicht auf. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass die gesamte Schule abends in Watte gehüllt wurde. Jetzt fühlte sie sich merkwürdig nackt an, was mir nicht behagte.
Auch die Wolken gefielen mir nicht. Sie sahen schlicht verkehrt aus, wie sie dick und dunkel immer tiefer über der Schule brodelten, bis sie befremdlich auf die Baumwipfel zu drücken schienen. Der Anblick erinnerte mich an den eisengrauen Himmel in den Dakotas an jenem Tag, als ich Sergej begegnet war.
Ungewöhnliches Wetter. Vampirwetter.
Ich blieb am Fenster, rieb das Medaillon und beobachtete, wie die Schatten unten in dem verfallenen Garten länger wurden. Ein unterschwelliges Summen in der Stille kündigte an, dass die Schola erwachte. Genau wie an jedem anderen Abend. Nur dass mir heute Abend selbst durch die drei Lagen Pullover, die Jeans und die fast neuen Stiefel kalt war. Ich hatte meine Tasche umgehängt, den Gurt diagonal über dem Oberkörper. Nachdem ich kurz überlegt hatte, steckte ich das Klappmesser in meine linke Gesäßtasche. Wenn ich jetzt noch daran dachte, das Messer – oder die Waffe – hervorzuholen, falls jemand mich töten wollte, wäre ich bestens vorbereitet.
Ich ging alles noch einmal im Kopf durch. Die Treppe hinunter, sowie die Glocke zur ersten Stunde läutete, durch die Flure und hinaus in die Nacht. Jetzt war meine Chance gekommen.
Ein letztes Mal blickte ich mich im Zimmer um, von dem Kleiderhaufen, den ich
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