Strange Love (German Edition)
Nick sie in den Mund und würgte sie trocken durch den Hals. Ray starrte ihn an, wollte etwas sagen, schwieg dann aber. Er konnte Nick nicht verstehen. Er kannte niemanden, der Nick Jeffrey verstehen konnte.
Während Nick sang, fühlte er die feuchte Wärme an seinem Handgelenk. Er versuchte, es zu ignorieren, trotzdem warf er einen kurzen Blick auf den Verband. In dicken Tropfen quoll das Blut durch den fest gewickelten Verband, hinterließ eine blutige Spur auf seiner Gitarre.
Nick spürte keinen Schmerz, aber der Anblick seines eigenen Blutes ließ ihn erschaudern. Er sah, dass die Fans in der ersten Reihe auf seine Hand starrten. Aber er sang weiter.
Am Ende des Songs nahm Rick, der Gitarrentechniker, ihm die Gitarre ab und starrte ebenfalls auf die dunkelrote Blutspur.
Er flüsterte Nick ins Ohr: »Nick, du blutest stark. Du musst wenigstens eben mit hinter die Bühne kommen, damit der Verband neu gemacht werden kann.«
Nick schüttelte schwach den Kopf. Durch das Kreischen und Johlen der Fans konnte er Rick kaum verstehen. Er versuchte ihn an die Seite zu schieben, um den nächsten Song ankündigen zu können. Aber Rick blieb standhaft. Seine Hand schloss sich wie eine Stahlklammer um Nicks Oberarm.
Gottergeben ließ er sich mitziehen. Warum sollte er mit Rick vor dem Publikum herumstreiten? Hinter der Bühne wurde seine Hand neu verbunden. Das Blut sickerte einfach zwischen den Fäden hindurch, offensichtlich war die Spannung auf der Naht zu groß.
Rick starrte ihn an. »Nick? – Lass Julian die Akustik-Parts spielen, okay?«
Nick runzelte die Stirn. Er hatte keine Lust auf irgendwelche Diskussionen. Doch nun mischte sich auch noch Phil ein.
»Sei vernünftig, Nick. Sonst kannst du das Konzert gleich abbrechen.«
Nick bleckte die Zähne. Es war eine merkwürdige Geste, aber sie drückte ein ich-ergebe-mich aus.
Mit neu verbundenem Handgelenk kehrte er auf die Bühne zurück, wo er begeistert empfangen wurde. Er hatte keine Schwierigkeiten, den Gig zu Ende zu bringen, doch für ihn war irgendwie die Spannung raus, nachdem er auf die Bühne zurückgekehrt war. Er hoffte, dass seine Fans das nicht spürten. Doch ihre Begeisterung schien nicht abgeebbt zu sein.
Als er die Bühne verließ, fühlte er sich schwach. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, den Gig durchzuziehen, sein Blutverlust war schließlich nicht unerheblich gewesen.
Müde zog er sich in einen der leeren Räume zurück, in dem nur einige der Taschen und etwas Equipment herumstand. Seine Beine taten weh, und er sah sich etwas unschlüssig um.
Und auf einmal stand jemand vor ihm. Bleich und sanft, schwarzes Haar, schwarze Kleidung. Das Gesicht so weiß wie das eines Toten. Er war einfach da – wie eine Vision – und sah Nick an. Er war so verwirrend , dass Nick kein einziges Geräusch mehr wahrnahm. Nur den leisen, kalten Atem seines Gegenübers.
Es war fast, als blicke er in sein Spiegelbild. Beängstigend, doch vertraut. Doch die Gesichtszüge des Fremden waren weiblicher als seine eigenen, der Mund ein wenig schmaler.
»Hallo Nick.« Die Stimme eines Engels. Sie ließ Nick erstarren, brachte ihn aus dem Konzept. Die schwarzen Augen des Geschöpfes wirkten merkwürdig ausdruckslos. Sie fixierten ihn.
Nick sah, wie das Wesen seine schmale weiße Hand nach ihm ausstreckte. Er war fasziniert und erschrocken. Die Kälte dieser Hand auf seiner Haut. Das war nicht einfach nur ein Typ aus der schwarzen Szene ...
Jetzt lächelte sein Gegenüber. »Ich bin Torian.«
Das Lächeln wirkte kalt, doch auf eine fremde Art auch beruhigend. Aber er wollte Nick auch beruhigen, das fühlte dieser deutlich. Noch immer hatte er kein Wort herausgebracht.
»Ich habe gesehen, wie du geblutet hast«, sagte Torian leise. Wie ein Windhauch an Nicks Ohr.
Vertraut legte er seine kalte Hand an Nicks Wange und betrachtete ihn verzückt.
»Mein Engel.«
Dann wandte er sich ab und verschwand. Nick starrte ihm nach. Er hätte beim besten Willen nicht sagen können, wohin Torian entschwunden war.
Eine feine Gänsehaut überzog seine nackten Arme. Er war verwirrt, benommen. Torians unwirkliches Gesicht hatte sich in Nicks Gedächtnis eingegraben, so klar und deutlich, wie keine andere Erinnerung. Und er kannte dieses Gesicht, denn er hatte es bereits in seinem Traum gesehen. Das Wesen aus seinem Traum ...
Nick schlang die Arme um seinen Körper. Ich habe gesehen, wie du geblutet hast . Diese Worte hallten in seinem Kopf. Was bedeuteten sie? Warum
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