Strange Love (German Edition)
düsteren Gedanken beiseite, denn sie hatte erschreckend gute Laune. In Gedanken packte sie bereits ihre Tasche.
Die Laterne vor dem großen Haus, in dem sich ihre Wohnung befand, war bereits ausgeschaltet. Cerys schluckte kräftig, schalt sich ob ihrer Ängstlichkeit und suchte in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel, als sie plötzlich ein Geräusch hinter sich hörte. Ein Knistern, als verstecke sich jemand in den Büschen, die den Weg zur Haustür säumten. Cerys bemerkte, wie ihre Nackenhaare sich aufstellten.
Der Wind konnte es nicht sein, es war so gut wie windstill an diesem Abend. Sie spürte ihr eigenes Herzklopfen, zu schnell, zu laut – wieder das Geräusch.
Langsam drehte sie sich um.
Da sah sie, wie eine zierliche, schwarze Gestalt aus den Sträuchern hinter ihr trat, sie anstarrte und dann gemächlich davonging. Cerys erschrak heftig. Doch der Schreck ließ sie nicht aufschreien, sondern völlig starr werden. Mit zittrigen Fingern schloss sie die große Haustür auf und atmete geräuschvoll aus, als sich die Tür mit einem schmatzenden Geräusch hinter ihr schloss.
Doch als sie später in ihrer Wohnung war, erschien ihr der Vorfall vor ihrer Haustür als irreal. Wahrscheinlich hatten ihre angespannten Nerven ihr nur einen Streich gespielt.
Cerys sang leise vor sich hin, als sie einige Sachen in ihre große Nike-Sporttasche warf. Morgen würde sie bei Nick Jeffrey einziehen – zumindest vorübergehend. Die schwarze Gestalt war vergessen.
Sie verdrängte die Überlegungen, die ihr reger Geist immer wieder anstellte über die Frage, warum Nick ausgerechnet bei ihr angerufen hatte. Er kannte sie eigentlich gar nicht.
Mit gepackter Tasche aber ungutem Gefühl machte sich Cerys auf den Weg zum Bahnhof. Der Gig fand in Bristol statt, und sie hoffte, dass sie danach mit Nick zu ihm fahren konnte.
Doch irgendwie kam ihr alles so unwirklich vor. Der strahlende Sonnenschein, die Tatsache, dass sie im richtigen Zug saß, aber vor allem ihr gestriges Treffen mit Nick Jeffrey. Hatte das tatsächlich stattgefunden? Sie war sich nicht mehr sicher.
In Bristol verließ sie den Zug, schnallte sich die Sporttasche wie einen Rucksack auf den Rücken und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Fleece & Firkin. Es waren nur ungefähr zehn Minuten Fußweg, doch Cerys kam es wie eine Ewigkeit vor. Was – wenn Nick sich gar nicht mehr an ihre Abmachung erinnerte?
Etwas unschlüssig stand sie schließlich vor dem großen Eingangstor und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
Da alle Türen verschlossen waren, setzte Cerys sich auf die Stufe vor dem Eingang und wartete. Es war merkwürdig, mitten am Tag vor dem Club zu sitzen. Kein einziger Fan war in der Nähe, doch der Tourbus stand bereits auf dem Parkplatz.
Cerys zog ein Buch aus der Seitentasche ihrer Sporttasche, setzte sich eine Sonnenbrille auf die Nase und begann zu lesen.
Sie versenkte sich so in die Geschichte, dass sie die Zeit völlig vergaß, und als ihr jemand auf die Schulter tippte, zuckte sie erschrocken zusammen. Es war Ray.
»Möchtest du vielleicht schon mit reinkommen?«, fragte er freundlich.
Dafür, dass es erst früher Nachmittag war, hatte er eine erstaunliche Alkoholfahne. Cerys lächelte ihn an.
»Klar, gern.« Sie klappte ihr Buch zu, verstaute es gut und folgte ihm in den Club.
»Du kannst die Tasche hier reinstellen«, sagte Ray. »Wir fangen jetzt langsam mit dem Soundcheck an. Kannst dich ruhig umsehen – tu dir keinen Zwang an.« Er grinste. »Wenn dich jemand rausschmeißen will, ruf einfach um Hilfe. Wir retten dich dann.«
Cerys lachte leise und sah ihm nach, als er sich langsam entfernte. Sie stellte ihre Tasche ab und sah sich ein wenig um. Der gesamte Raum war mit verschiedenen Bandpostern dekoriert, die Einrichtung, bestehend aus ein paar Sesseln, einer Couch und zwei Holztischen sah ziemlich mitgenommen aus. Cerys verließ den Raum und schlenderte den langen Gang im Backstagebereich entlang, als sie ein Geräusch hörte. Überrascht drehte sie sich um und sah Nick auf sich zu rennen. Was war los?
Er stürzte an ihr vorbei Richtung Toiletten, ohne sie zu bemerken. Cerys zögerte keinen Moment, ihm nachzugehen. Sie folgte ihm auf die Herrentoilette, die erstaunlicherweise nicht so siffig war, wie der Rest des Clubs.
Nick hatte es nicht mehr geschafft, die Tür hinter sich zu schließen. Er kniete auf dem Boden und erbrach sich stöhnend in die Toilettenschüssel.
Cerys schluckte die Übelkeit, die in ihr aufstieg,
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