Strangers on a Train - Reise der Leidenschaft
schaffte der es, so weich und zugleich so männlich auszusehen?
»Nein.«
»Was hast du denn gegen zweite Chancen?«
»Die Tatsache, dass sich nichts ändert.«
»Das traf vielleicht auf deinen Vater zu. Aber nicht auf mich. Ich werde mich ändern. Alles, was du willst. Ich telefoniere nicht beim Essen. Keine Anrufe, wenn wir im Bett sind.«
Die Anrufe im Bett. Die hatte sie komplett verdrängt. Er war nie ans Telefon gegangen, während sie miteinander geschlafen hatten, doch einmal, da war sie sich ziemlich sicher, hatte er sie beide schnellstmöglich zum unabdingbaren Abschluss getrieben, um seine Mailbox abhören zu können. Sie war stinksauer gewesen, es war ihr tagelang nicht aus dem Kopf gegangen, aber sie hatte ihn nie darauf angesprochen, weil es zu leicht abzustreiten gewesen wäre. Wenn er ihr gesagt hätte, dass er nichts wissentlich getan hatte, um das Happy End zu beschleunigen, wie hätte sie ihm das Gegenteil beweisen sollen?
»Lange Urlaube an exotischen Orten. Keine nicht eingehaltenen Verabredungen. Ich werde pünktlich sein.«
Was konnte sie sonst für Zugeständnisse von ihm verlangen, und würde es überhaupt einen Unterschied machen? Es würde keine Garantie geben, dass er seine Versprechungen hielt. Dass er sie halten
konnte
. Wenn sie erst nachgegeben hatte und heimgekommen war, würde sie kein Druckmittel mehr haben.
»Nein.«
Er warf den Kopf nach hinten gegen den weichen Sitz. »Amy.«
Warum war das so sexy? Was war bloß los mit ihr? Sie hatte zu viele Stunden zu nah bei ihm verbracht. Die Monate, in denen sie mit ihm gelebt und jederzeit Zugang zu Sex gehabt hatte, hatten sie konditioniert, seinen Anblick, Geruch und Klang mit atemberaubenden Orgasmen zu verbinden. Außerdem hatte sie sich sechs Monate lang jeden sexuellen Kontakt verwehrt, und das war das unvermeidliche Ergebnis. Er warf den Kopf gegen den Sitz, und sie wollte auf ihn steigen und ihn reiten.
»Ich will, dass du mir von deinem Vater erzählst«, sagte er.
»Das hat nichts mit ihm zu tun.«
»Das hat alles mit ihm zu tun.«
Er sah kampfeslustig aus. So viel zur weichen Seite von Jeff. Heute zeigte er ihr, wo es langging. Und, tja, sie stand darauf.
Amy holte tief Luft. »Ich hab dir doch erzählt, dass meine Eltern sich getrennt haben, als ich zehn war.«
»Ja.«
»Was habe ich dir darüber erzählt?«
Er hob das Kinn. »Nicht viel. Du hast mir gesagt, dass er ein Riesenarschloch war.«
»Ja, das ist im Großen und Ganzen auch schon alles. Nur dass ich dir wahrscheinlich die Kurzversion erzählt habe.«
Er nickte.
»Das erste Mal, als er uns verlassen hat, war ich zehn. Ich kenne nicht alle Details, doch meine Mutter hat ihn beim Fremdgehen erwischt und rausgeschmissen.«
Amy erinnerte sich an den Tag, als er gegangen war. Er hatte sie beim Spielen mit Papierpuppen auf dem Boden in ihrem Zimmer vorgefunden. Er ragte über ihr auf, ein großer, fleischiger Mann mit einem rot karierten Flanellhemd und weiten Jeans. Ein fester Bestandteil in ihrem Leben, nicht bedrohlich. Niemand, dessen Anwesenheit sie je infrage gestellt hatte – bis zu jenem Moment.
Ich muss gehen
, hatte er gesagt. Sonst nichts. Nichts darüber, wie endgültig der Abschied war, für wie lange er gehen würde, nur
Ich muss gehen
. Ein Schlag in ihre Magengrube, und das war gewesen, bevor die volle Wucht der Wut auf ihre Mutter sie gepackt hatte. Die richtige Wut begann erst, als der zehnjährigen Amy klar geworden war, dass sie noch einen Dad hätte, der mit ihr im Haus lebte und samstagsmorgens Pfannkuchen backte, wenn ihre Mutter nicht so nachtragend wäre.
Frühstück war immer ihre Lieblingsmahlzeit gewesen. Die einzige gehaltvolle Mahlzeit am Tag. Jeff hatte das so genau gewusst, dass er eine Regel entwickelt hatte: Er ging nie zu Bett, ohne sicherzustellen, dass die Wohnung abgeschlossen, der Geschirrspüler beladen und gestartet und ein gesunder Vorrat an Frühstücksmüsli und zweiprozentiger Milch – ihre Favoriten – im Haus waren. Mehr als einmal war er spätabends unter ihrem Protest noch Müsli kaufen gegangen, damit sie nicht ohne ihr Lieblingsfrühstück in den Tag starten musste.
Bei mir ist es Kaffee
, hatte er gesagt.
Jeder frönt einer morgendlichen Sucht.
Er hatte es von der lockeren Seite gesehen, aber immer, wenn er sie so liebevoll umsorgt hatte, hatte sie feuchte Augen bekommen. Eine Zigarre war nicht immer nur eine Zigarre, und Frühstück war für Amy nicht einfach nur Frühstück.
»Er war etwa sechs
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