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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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versuchte sie, Schale und Halterung in die Tasche zu stopfen, bis sie plötzlich innehielt.
    Beinahe hätte sie laut gelacht. Aber sie begnügte sich damit, ihren Rock nachlässig über Tasche und Inhalt zu breiten.
    »Armando?« Pilars Stimme klang dünn und angestrengt. »Bist du das?«
    »Leise!«, zischte Estrella und genoss, wie die andere zusammenfuhr. »Armando liegt da drüben und träumt. Du musst dich schon mit mir begnügen. Was suchst du überhaupt hier draußen?«
    Das Tuscheln. Das Stöhnen und schließlich der dumpfe Schrei - die Lüftungslöcher im Kellerraum über Pilars Kopf waren groß genug gewesen, um sie an allem teilhaben zu lassen.
    »Ich ... ich wollte nur ...« Pilar rang vergeblich nach einer Antwort. »Ich dachte, ich ...«
    »Komm, ich bring dich wieder hinein. Sonst brichst du dir auf der steilen Treppe noch den Hals.« Während Estrella sprach, hatte sie Schale und Halterung wieder sorgfältig eingeschlagen und in die Tasche gepackt. Sie stand auf, ging zu Armando und schob sie halb unter ihn. Alles war wie zuvor. Er würde nichts von ihrer Neugierde bemerken. »Wie bist du da überhaupt alleine raufgekommen?«
    »Ich weiß es nicht.« Pilar hätte sich am liebsten unsichtbar gemacht. Wie von selber hatten ihre Füße den Weg nach oben ertastet. Beinahe wie früher in der Wahlenstraße, wo ihr jeder Tritt vertraut gewesen war. Aber da hatte sie sich niemals derart ausgeliefert gefühlt. Und so voller Scham.
    »Also, was ist?«, sagte Estrella munter. »Gehen wir?«
     
    *
     
    Santo Domingo de la Calzada, Juni 1246
     
    Die Schmerzen wurden immer unerträglicher. Hatte es gestern noch geholfen, die Zähne fest zusammenzubeißen, um das Pochen zu ertragen, so fühlte sich heute das Innere seiner linken Wange wie eine offene Wunde an. Auch von außen zeigte sich bereits die Schwellung. Tariq konnte den Kopf noch so sehr zur Seite drehen - es war nicht mehr zu verbergen, was ihn quälte.
    »Du brauchst Hilfe«, sagte Camino. Nach vielem Zureden hatte er Tariq schließlich dazu gebracht, den Mund zu öffnen, und das Malheur inspiziert. » Sonst wird es noch schlimmer. Es sieht nicht aus, als würde es von alleine heilen.«
    »Etwa einen eurer christlichen Zahnbrecher? Darauf verzichte ich gern. Ich hab gesehen, was sie meiner Mutter angetan haben. Wo eben noch zwei herrlich weiße Zähne saßen, gähnte plötzlich ein schwarzes Loch.«
    »Aber es könnte faulen«, fiel Moira ein. »Und dann sickert das Gift tief in deinen Leib und verdirbt alle Säfte. Sei kein Tor. Du musst dir helfen lassen.«
    »Und du darfst nicht wählerisch sein«, setzte Camino hinzu, »denn einen Medicus wirst du hier schwerlich finden.«
    Tariq schwieg und beschleunigte seinen Schritt.
    Eine seltsame Stimmung lag in der Luft. Seit sie das Weingut verlassen hatten, genügte schon ein falsches Wort, um Unfrieden aufkommen zu lassen. Pilar sah aus, als wolle sie gleich losweinen. Sobald sie Armandos Stimme hörte, wirkte sie noch fahriger. Camino redete nur, wenn er angesprochen wurde, was wiederum Moira zu irritieren schien. Am schlechtesten jedoch war es offenbar um Armando bestellt. Er ging so unsicher, dass Tariq trotz seiner Schmerzen wieder Wallis Führung übernahm. Einzig Estrella strahlte, bestens gelaunt und zu Späßen aufgelegt, auf die allerdings niemand einging.
    »Riecht ihr nichts? Wie es überall nach Heu und feuchter Erde duftet - das ist der Sommer! Ich habe seinen Geruch schon in der Nase. Und nicht nur da!« Spielerisch stupste sie Armando an; der aber drehte seinen Kopf zur Seite.
    Tariq nahm die Umgebung ähnlich auf wie sie, nur waren seine Empfindungen weit weniger freundlich. Jeden Halm, jedes Kraut am Wegrand glaubte er wieder zu erkennen. Er war sich so sicher gewesen, aber je näher León rückte, desto unruhiger wurde er. Einmal schon war sein Plan nicht aufgegangen. Die niña hatte ihre Mutter zwar wieder gefunden, aber was hatte es ihr genützt? Und selbst wenn die Herrin nicht gestorben wäre - hätte es in dem Bergdorf wirklich einen Platz für ihre blinde Tochter gegeben?
    So sehr hatte er sich angestrengt, die losen Enden dieser Familie wieder zusammenzufügen, und doch war er gescheitert. Was würde aus seinem jetzigen Vorhaben werden?
    Er stöhnte laut.
    »So schlimm, Tariq?« Pilars Stimme klang besorgt. »Camino und Moira haben Recht. Du solltest besser auf sie hören.«
    In trotzigem Schweigen schritt er weiter, bis sie die Mauern von Santo Domingo de la Calzada erreichten.

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