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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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hatte sie Glück gehabt. Jetzt jedoch schien es sie ebenso verlassen zu haben wie der Segen der Schwarzen Madonna.
    Mit zusammengepressten Lippen stand sie neben Pilar, die mit heller Stimme Gebete und Segenswünsche sprach, bis alle Räume von dem Rauch durchzogen waren. Der Maure hielt sich ein Stück abseits, war aber aufmerksam wie immer. Das Mädchen legte schon die Hand auf die Türklinke zu Magdas Kammer, als sie ihr den Eintritt verwehrte.
    »Nicht mehr nötig«, sagte Magda rasch. »Da drin hab ich schon vorher geräuchert.«
    Dreimal wurde an die Haustür geschlagen.
    »Wenn nur der Herr zu Hause wäre!« Balbina wäre vor Schreck beinahe die Pfanne entglitten. Tariq nahm sie ihr ab, was sie sich jetzt gern gefallen ließ. »Natürlich weiß ich, dass hinter der Maske nur irgendeine aus der Vorstadt steckt
    - und trotzdem fürchte ich mich!«
    »Dann geh eben ich aufmachen.« Pilar bewegte sich vorsichtig nach unten. »Ich hab keine Angst.«
    »Und wenn die Bercht dir etwas Böses orakelt?«, murmelte Balbina.
    »Wieso sollte sie?«, rief Pilar über die Schulter zurück.
    Ihre Füße kannten jede der vierundzwanzig Stufen. Wenn sie langsam ging, konnte sie sie ebenso mühelos bewältigen wie früher. »Ich häng ihr einen Mistelzweig um den Hals. Dann kehrt sie uns Glück rein und alles Unglück raus.«
    Aber es war Kaspar Sperling. Hinter ihm waren auf einem wackeligen Schlitten Scheite und Reisig hoch getürmt. In seinem zerschlissenen Mantel glich er einer Vogelscheuche.
    »Bin spät dran«, sagte er heiser. »Aber meine Frau ist krank.« Aufgeregt zuckte der Adamsapfel an seinem dünnen Hals. »Ist der Weltenpurger da? Ich hab mit ihm zu reden.«
    »Ist er nicht«, sagte Magda, der sein verwahrloster Aufzug einen jähen Anfall von Übelkeit bescherte. »Lad dein Holz ab und verschwinde.«
    »Es ist aber wichtig«, beharrte Sperling. »Ruf ihn her!«
    »Sitzt du auf deinen Ohren? Geh nach Hause!«
    »Das kann ich nicht.« Er wurde lauter. »Er muss mir Rede und Antwort stehen. Das ist er mir schuldig!«
    »Was willst du denn von Papa?«, sagte Pilar. Seine Verzweiflung war für sie mit Händen greifbar. »Gut möglich, dass er erst sehr spät zurückkehrt. Können wir dir vielleicht einstweilen helfen?«
    Er musterte ihre schmale Gestalt, die golddurchwirkte Borte am Ausschnitt, den perlengeschmückten Reif, der ihr Haar zurückhielt. Allein für den Gegenwert der Gürtelschnalle hätte seine Familie vermutlich ein Jahr anständig essen können. Ihr leerer Blick rührte ihn, aber es war nur eine kurze Regung. Wozu brauchte eine Blinde wie sie solch kostbaren Tand?
    »Uns kann keiner helfen«, stieß er hervor. »Dieses gottverdammte Lumpensortieren - niemals hätte ich es ihr erlauben sollen! Grünlich wie eine Leiche ist sie, meine Agnes, röchelt und spuckt. Mich hat sie vorhin gar nicht mehr erkannt.«
    »Du musst ihr Tee einflößen«, sagte Balbina, erleichtert, dass sie ihre Last endlich los war. »Und Wadenwickel braucht sie ...«
    »Und wenn sie gar nicht mehr aufkommt? Was soll dann aus den Kindern werden?« Sperling versuchte, sich an den Frauen vorbeizudrängen, hielt aber inne, als im Hintergrund Tariq auftauchte. »Ich warte auf den Weltenpurger - auch wenn es die ganze Nacht dauert. Er hat mein armes Weib auf dem Gewissen!«
    In einiger Entfernung waren Johlen, Pfeifen und Rasseln zu hören. Die Meute würde bald das Haus erreicht haben. Breitbeinig stand Magda im Türrahmen. Wenn sie die Bercht schon nicht aufhalten konnte, dieses Lumpenpack würde ihr nicht über die Schwelle kommen.
    »Hüte deine Zunge, sonst kannst du was erleben - und hau endlich ab! Zuvor aber stapelst du das Holz noch ordentlich an der Hauswand.« Sie schlug die Tür zu.
    »Was aber, wenn er Recht gehabt hat?«, sagte Pilar. Die Glut der Räucherpfanne war erloschen, der Duft nur noch eine Ahnung. Eben noch war ihr so feierlich zumute gewesen. Nun aber hatten Sperlings Vorwürfe ihre Freude vergiftet. »Und die Lumpen seine Frau wirklich krank gemacht haben?«
    »Du musst nicht alles glauben, was die Leute so daherschwätzen«, sagte Magda, die die Stille ihrer Kammer herbeisehnte wie selten zuvor. »Ich hab diesem Halunkengesicht noch nie über den Weg getraut. Aber dein Vater hat ja darauf bestanden, ihm immer wieder Arbeit zu geben.« Brechreiz zwang sie dazu, schneller zu atmen.
    »Ist dir nicht wohl?«, sagte Pilar leise.
    »Ich bin nur müde. Morgen ist alles wieder in Ordnung.«
    Lautes Poltern ließ die

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