Strasse der Sterne
Frauen zusammenzucken.
»Die Bercht!« Balbinas Augen weiteten sich furchtsam. »Sie sind da!«
Die Tür flog auf. Herein strömten die Maskierten. Einige hatten Zottelpelze übergeworfen, andere trugen Fetzenkleider mit Glockengürteln, wieder andere fuchtelten mit großen Scheren herum. Holzmasken mit gebogenen Hörnern verbargen ihre Gesichter. Sie stampften, schüttelten Rasseln und Ratschen und heulten im Chor.
»Groß' Raunacht is wieder einmal«, rief die Bercht, die einen spitzen Federhut auf den verfilzten Zöpfen hatte und bunte Filzstückchen an ihren Röcken. »Jetzt kehrt mein Besen alles rein! Seid ihr bereit?«
Die Gehörnten umsprangen sie dabei in wilden Sätzen bei ihren übertriebenen Kehrbewegungen.
»Kein Waschen, kein Weben, kein Spinnen ...« Ihrem Blick war der frische Flachs nicht entgangen. »Was seh ich denn da? Wer in diesem reichen Haus widersetzt sich frech dem alten Brauch?«
Pilar erkannte sie am Geruch. Es war Mari, die im Sommer Kräuter sammelte und im Winter ihre holzigen Äpfel auf dem Markt feilbot. Bei Geburten wurde sie oft zu Hilfe gerufen. Frauen kamen zu ihr, wenn sie sich vergeblich ein Kind wünschten. Und hinter vorgehaltener Hand munkelte man, ihr sei zu verdanken, dass in der Stadt ein paar Bankerte weniger herumliefen.
Schließlich blieb sie vor Magda stehen.
»Wer dem Kuckuck nachspottet, bekommt Sommersprossen«, sagte sie überraschend scharf. »Und wenn ein Glas verschüttet wird, dann kann jemand flugs schwanger werden.« Mehrmals drehte sie sich um die eigene Achse. Schwingende Röcke gaben kräftige Waden und zerlumpte Schuhe preis. »Es wachst, es wachst der ganze Tag, grad wie ich es euch jetzt sag! Weihnacht an Hahnentritt, Dreikönig an Mannenschritt, Sebastian an Hirschensprung, Lichtmess an ganze Stund.«
»Bist du endlich fertig?« Auf Magdas Stirn standen kleine Schweißperlen.
»Heila, weila, bumperlgesund, noble, rogle, kugelrund!« Mari senkte die Stimme. »Hu, hu, die Bercht ist seit jeher die Patin der ungeborenen Kinder.« Wie eine Jägerin schien sie Witterung aufzunehmen. »Was riech ich da? Es brennt, es rußt, es lodert, ach! Der Feuerhahn kräht auf dem Dach.« Ihr Besen begann wild auszuschlagen, Arme und Beine zuckten, als sei der Blitz in sie gefahren. »Haberfuß und Deichselruß - irgendwo steckt hier Verdruss!«
»Was meinst du damit?«, sagte Pilar, die sich plötzlich ganz klamm fühlte. »Siehst du etwas, Bercht? Dann verrat es uns!«
»Wirbel und Wege, Brücken und Stege.« Maris Stimme klang eindringlich. »Kommst weit weg und wieder nach Haus. Feuer und Wasser schlagen aus!«
Wie ein lärmender Spuk war sie nach ein paar letzten Sprüngen mit ihrem Gefolge wieder aus dem Haus verschwunden.
»Weißt du, was sie sagen wollte?«, wandte Pilar sich an Magda, die ungewöhnlich stumm war. »Ich hab kein Wort verstanden.«
»Nichts als dummes Zeug! Vielleicht war ihr der Rahmtopf nicht voll genug. Oder die gnädige Frau Bercht hätte süße Printen bevorzugt.« Magda war schon halb auf dem Weg in ihre Kammer. »Bleib nicht zu lange auf, Pilar! Wer weiß, wann Heinrich nach Hause findet.«
Sie hörte das Mädchen noch mit Balbina reden, aber sie achtete nicht mehr darauf. Ihr war so übel, dass sie sich hinlegen musste. Allmählich flaute die Übelkeit ab, aber Magda durfte noch nicht einschlafen.
Irgendwann wagte sie sich wieder in die Küche hinab. Zum Glück war nirgendwo der Maure zu entdecken, der ihr in letzter Zeit wie ein hartnäckiger Schatten zu folgen schien. Die geschälten Weidenzweige, die sie unter dem Bett versteckt hatte, warf sie ins Feuer. Die ab gekratzte Rinde stieß sie im Mörser klein, gab Mistelkraut und Sennesblätter dazu und übergoss die Mischung mit kochendem Wasser. Allein der Geruch empörte ihren Magen. Magda schüttelte sich, als sie es schließlich hinunterstürzte. Bitternis schien bis in ihre Finger- und Zehenspitzen zu sickern.
Sie hörte, wie die Tür ging und danach Heinrichs vertraute Schritte. Schnell spülte sie sich den Mund mit Wasser aus, ordnete fahrig Haar und Kleid und setzte ein Lächeln auf. Aber er ging an der Küchentür vorbei, die Treppe hinauf in den ersten Stock, ohne sie zu bemerken. Magdas Erleichterung wandelte sich in Enttäuschung.
Selbst wenn ich splitternackt vor ihm stünde, dachte sie, er würde durch mich hindurchsehen, als sei ich aus Glas. Es gibt nur eine für ihn. Warum kann nicht ich es sein?
Und plötzlich nahm er mehr und mehr Gestalt in ihr an,
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