Strasse der Sterne
Benedikt gesagt und nichts vom ständigen Fasten gehalten, das nur wunderlich und krank macht! Bestimmt ist noch etwas Eintopf übrig. Und dann gehen wir beide sofort an die Arbeit, bevor es zur Non schlägt!«
Armando folgte ihr langsam.
Bald schon kam ihm alles vor wie ein Traum, aus dem er gar nicht mehr erwachte - die kühlen Steinfliesen des Kreuzgangs, in dessen Mitte ein ovaler Teich angelegt war. Die Marienstatue in der südöstlichen Ecke, deren Füße stets frische Schnittblumen zierten. Die Wärme des Sonnenlichts im Klostergarten, die Kälte der klaren Bergnächte. Der Gesang der Nonnen, der manchmal aus der Kirche drang und mit dem Summen der Insekten zu einem Klangteppich verschmolz. Hier gab es keine Gelegenheit für ihn, seinen hellen Tenor mit den Frauenstimmen zu mischen, wie er es in Kloster Leyre so gern getan hatte, aber er sang beim Arbeiten halblaut vor sich hin. Und manchmal, wenn er stumm blieb, spürte er ein drängendes Summen in seinem Brustkorb aufsteigen, einem Bienenstock gleich, der sich bereit zum Ausschwärmen machte.
Zum Nachdenken blieb ihm nicht viel Zeit.
Sor Angelita wusste ihn zu beschäftigen - fürwahr! Ständig fiel ihr etwas ein, was unbedingt erledigt werden musste, und das unablässige Bücken, Graben und Hacken ließ ihn abends schnell einschlafen. Anfangs stellte er sich reichlich ungeschickt an, zerbrach einen Spaten, verbog eine Schaufel. Rupfte Kräuter aus, die er für Unkraut gehalten hatte, und ließ stehen, was entfernt gehörte.
Nach und nach jedoch schärfte sich sein Blick und er lernte, Nutzpflanzen von Unkraut zu unterscheiden. Seine Hände bekamen Schwielen, sein Rücken schmerzte, aber er fühlte sich ausgeglichen, beinahe fröhlich. Manchmal sprach er in seinen Träumen mit Abt Miguel. Aber immer bevor er ihn fragen konnte, was er unter den Schwarzhauben eigentlich verloren habe, erwachte er.
Irgendwann fasste Armando Mut. Er kannte Sor Angelita inzwischen so gut, dass sie ihm die Frage sicher nicht übel nehmen würde. Und falls doch - dieses Risiko musste er eingehen.
»Ihr habt doch bestimmt eine stattliche Klosterbibliothek«, sagte er und lauerte auf ihre Reaktion. »Wo ist sie eigentlich untergebracht?«
»Im ersten Stock. Am Ende des langen Ganges. Wo die Lemniskate über der Tür ist.« Sor Angelita hatte genau geantwortet, wirkte aber dennoch reserviert.
»Lässt du mich gelegentlich hinein?« Er hatte längst herausgefunden, dass sie nicht nur für den Garten zuständig, sondern auch die Cellularin des Klosters war. An ihrem Gürtel baumelte ein dicker Schlüsselbund, der bei jedem Schritt klapperte.
»Kannst du denn lesen?«
»Das kann ich«, sagte er. »Ich liebe alte Bücher. Ihr habt sicherlich viele davon.« Jetzt kam es auf jedes Wort an. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Wenn er Abt Miguel richtig verstanden hatte, war er bald am Ziel.
»Dazu kann ich dir nichts sagen. Und ob du hineindarfst, das entscheidet allein die Mutter Oberin«, gab sie ihm zur Antwort. »Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Idee ihr besonders gefällt.«
Tage vergingen, aber sie kam nicht wieder auf sein Anliegen zurück. Schnittlauch und Petersilie vom vorigen Jahr, die bereits wieder auszutreiben begonnen hatten, waren geerntet, Stachelbeeren und Jostasträucher gepflanzt. Sor Angelita hatte ihn bei der Spritzung mit Rainfarnbrühe angeleitet, um Schädlinge zu vertreiben. Alle Obstbäume hatten einen Lehmanstrich erhalten und waren mit reifem Kompost versorgt.
Danach stank Armando zum Gotterbarmen.
Er war gerade dabei, sich am Brunnen zu reinigen und nur noch in seiner Bruche, als Sor Angelita aus dem Geräteschuppen zu ihm trat. Es schien sie nicht zu stören, dass er sein Hemd ausgezogen und nackte Beine hatte.
Röte kroch über sein Gesicht, während sie ihn ungeniert musterte. »Wenn es wärmer wird und du in Zukunft lieber ohne Hemd arbeiten willst«, sagte sie, »solltest du unbedingt meine Tinktur aus Öl und Walnusssaft auftragen. Das schützt vor der Sonne, besonders wenn man so hellhäutig ist wie du.« Ihre kräftigen Finger spielten mit einem der Schlüssel an ihrem Bund, der eine besondere Form hatte und einem spitzen A glich.
»Du hast das Rezept doch sicher irgendwo aufgeschrieben?«, sagte er. »Könnte ich es vielleicht nachlesen?«
Sie verstand die Anspielung sofort.
»Was deine Frage wegen der Bibliothek betrifft, so muss ich dich leider enttäuschen.«
»Ich darf nicht hinein?« Armando hatte
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