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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Wasser füllte und Kaffeepulver dazugab, bemerkte der Reverend, dass ihr bei aller äußerlichen Ruhe doch ein wenig die Hand zitterte. Er sagte es ihr.
    »Haben Sie’s doch gemerkt«, antwortete sie. »Und ich hab gedacht, ich strahle professionelle Gelassenheit aus.«
    Der Reverend hielt eine Hand hoch. Sie zitterte ebenfalls ein wenig. »Mir geht’s genauso.«
    Sie lächelte ein sehr nettes Lächeln.
    »Von klein auf war mir der Tod vertraut«, sagte Abby. »Kein Wunder, bei einem Vater, der Arzt ist. Schon als Teenager war ich seine Assistentin. Ich war dabei, als meine Mutter vom Fieber dahingerafft wurde – wir haben alles versucht, um sie zu retten, aber wir haben’s nicht geschafft. Nur so was wie heute hab ich noch nie gesehen.«
    »Ich auch nicht.«
    Als der Kaffee fertig war, holte sie Tassen aus einer Tischschublade und goss sich und dem Reverend ein. Sie reichte ihm seine Tasse, und dabei bemerkte er ihren Geruch – und schon loderte wieder das verfluchte Feuer in seinem Unterleib.
    Er war erleichtert und zugleich enttäuscht, als sie wieder auf Abstand ging. Sie setzte sich auf die Tischplatte und schlug unter ihrem langen Rock wie beiläufig die Beine übereinander. Dem Reverend kam es vor, als habe er noch nie eine so erotische Bewegung gesehen. Sie führte ihre Kaffeetasse zum Mund, nippte daran und sah dem Reverend über den Tassenrand hinweg in die Augen.
    Er konnte seinen Blick nicht von ihr lösen.
    »Geht Ihnen noch irgendwas anderes durch den Kopf außer Kaffee, Reverend?«, fragte sie ihn.
    »Entschuldigung. Sie sind eine sehr attraktive Frau.«
    »Ich weiß. Alle Männer hier im Ort haben mir das schon gesagt. Und da hab ich gedacht, Ihnen fällt vielleicht was Besseres ein.«
    »Offenbar nicht.«
    »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Nicht richtig jedenfalls. Geht Ihnen noch was anderes im Kopf herum, Reverend?«
    »Vielleicht. Aber wahrscheinlich wäre es nicht angemessen, das laut auszusprechen.«
    »Seien Sie doch nicht so steif, Reverend.«
    »Wäre vielleicht hilfreich, wenn Sie Jeb zu mir sagen.«
    »Okay, denn eben Jeb.«
    »Ich sollte jetzt besser gehen.«
    »Sie haben Ihren Kaffee noch nicht ausgetrunken, Jeb. Und Dad will Sie bestimmt noch sprechen.«
    Hastig trank er seinen Kaffee aus. »Ich muss wirklich los.« Da fiel ihm ein, dass er in der Tat etwas anderes zu tun hatte. Er wollte David doch Schießunterricht erteilen. In der ganzen Aufregung hatte er das völlig vergessen. Er erzählte ihr, was er und David sich vorgenommen hatten.
    »Hört sich toll an. Was halten Sie davon, wenn ich mitkomme? Wir könnten ein Picknick machen.« Sie lächelte ihn an. »Ich find’s toll, wenn ein echter Mann ins Schwitzen kommt, und so wie es aussieht, wird’s ein heißer Tag.«
    Der Reverend wusste nicht so recht, was er von Abby halten sollte. Während er sich noch eine passende Antwort überlegte, trat Doc zu ihnen herein.
    »Noch Kaffee da?«, fragte er.
    Abby lächelte. »Na klar.« Sie stellte ihre Tasse ab und schenkte ihrem Vater ein. Doc setzte sich an den Tisch und trank. Er wirkte nachdenklich.
    »So was hab ich noch nie gesehn«, sagte er. »Nie. Ich glaube nicht, dass das irgendeine Krankheit ist.«
    »Was soll es denn sonst sein?«, fragte der Reverend.
    »Weiß ich nicht«, sagte Doc. »Ich hab ein paar Vermutungen. Aber nur Vermutungen.«
    »Und die wären?«, fragte Abby.
    »Möchte ich jetzt lieber noch nicht sagen. Sonst haltet ihr mich für dümmer als ich bin.«
    »Das glaube ich kaum.« Abby grinste.
    Doc grinste zurück. »Nein, kein Wort jetzt. Erst mal muss ich in ein paar Büchern nachschauen.«
    »Dad, der Reverend und ich haben uns gerade überlegt, picknicken zu gehn – nicht wahr, Reverend?«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte sich überhaupt nichts überlegt. Sie hatte davon angefangen, und bevor er irgendetwas zu dem heiklen Thema hätte äußern können, war Doc dazugekommen. Anscheinend gab es kein Entrinnen. Als ob der Herr sie ihm an den Hals werfen wollte. Und in dem Fall gäbe es keinen Ausweg. Außerdem war er in letzter Zeit zu viel alleine gewesen. Vielleicht wäre ja Davids und Abbys Gesellschaft im Moment genau das Richtige für ihn?
    »Ja«, sagte er. »Wir dachten, das könnte ganz nett sein.«
    »Hört sich großartig an«, sagte Doc.
    »Und hinterher kommt der Reverend vielleicht noch auf eine Tasse Kaffee mit rein«, sagte Abby, »dann kannst du uns erzählen, was in den Büchern steht, in denen du nachschauen

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