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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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hatte gewirkt. Es hatte sie umgebracht und wieder ins Leben zurückgeholt, von ihrer Lungenentzündung geheilt. Oder aber ihre Körperfunktionen hatten ausgesetzt, als ich sie untersuchte, sodass ich sie gar nicht wahrnahm. Allerdings, Reverend, ein so schlechter Arzt bin ich nun auch wieder nicht. Ich bin überzeugt, das Mädchen war tot, und das hat die Medizin dieses Indianers bewirkt, und bevor sie ihre heilende Wirkung entfalten konnte, hatte man ihn aufgeknüpft.
    Webb war wie verwandelt. Jetzt glaubte er sogar an den Fluch des Indianers. Noch in derselben Nacht packten er und seine Familie ihre Habseligkeiten und stahlen sich auf Nimmerwiedersehen davon. Trotz des schweren Regens konnte ich sie wegfahren sehen, und ich sah, dass Glenda am Leben war. Sie saß vorne auf dem Wagen mit ihrer Mutter, die einen großen Regenschirm über sie beide hielt. Ich weiß noch, wie ich dachte: »Hoffentlich bricht die Lungenentzündung bei ihr nicht wieder aus«, und wie ich mich dann fragte, ob das Mittel des Indianers sie wohl dauerhaft geheilt hatte.
    Am nächsten Morgen fand man Hirem hinter dem Saloon. Seine Hand umklammerte ein Jagdmesser, mit dem er sich die Kehle aufgeschlitzt hatte, von einem Ohr zum andern.
    Dann kam eines Tages die Postkutsche nicht an. Und heute bricht dieser Mann mitten auf der Straße zusammen und zerfällt wie nasses Papier. Und Nate, der Bankier, wird hinter Molly McGuires Café gefunden, mit gebrochenem Genick und aufgerissener Kehle. Nolans Leiche, der Hals auf dieselbe Weise aufgerissen. Beide haben eine Menge Blut verloren, das schon, aber mit Blut besudelt waren sie nicht. Bei Nate fand sich nur ein bisschen Blut, wo er gestorben ist; bei Nolan weiß ich es nicht, aber ich wette, da war’s genauso. Oder ist Ihnen was aufgefallen? Egal.
    Und dann noch die Sache mit dem Baby vor ein paar Tagen. Eines natürlichen Todes gestorben, habe ich da geschrieben. Im Nacken hatte es eine kleine Wunde, aber bei Weitem nicht so schlimm, dass es hätte verbluten können, und auf dem Bettzeug waren bloß ein oder zwei Tröpfchen Blut. Ich vermutete, dass es sich beim Rumdrehen vielleicht mit der Sicherheitsnadel von einer Windel gepiekst hatte oder so.
    Das passt alles zu dem, was die Bücher beschreiben: dass der Dämon kommen wird, ein Vampir, und keine Ruhe geben wird, bis alle seine Feinde ausgelöscht sind. Und alle, die sich ihm in den Weg stellen. Und selbst dann gibt er sich vielleicht noch nicht zufrieden. Der Dämon vermag in dem toten Körper zu verweilen, solange es ihm gefällt.
    Nun, bevor ich euch wieder zu Wort kommen lasse, damit ihr mir sagen könnt, dass ich verrückt bin, will ich noch eine Sache anfügen. Und gleich zugeben, dass ich zu diesem Zeitpunkt müde war und mir dieses ganze andere Zeug durch den Kopf ging.
    Jedenfalls hatte ich wieder diesen Traum, von dem ich euch erzählt habe. Dass ich in den Armen der Negerin liege, bis ich an einem Herzinfarkt sterbe. Nur war er diesmal anders. Intensiver. So schlimm, dass ich verschwitzt aufgewacht bin.
    Als ich mich im Bett aufsetzte – am Fußende ist ein Fenster –, sah ich ein GESICHT. Es drückte die Nase an die Fensterscheibe und schaute durch den Spalt zwischen den Vorhängen zu mir herein. Das Licht war schlecht, und ich war mir auch nicht sicher, aber es sah aus wie das Gesicht des Indianers, und es hatte denselben Gesichtsausdruck wie an dem Tag, als ich zu ihm gegangen war, um mit ihm zu reden und mir ihren Wagen anzuschauen. Derselbe überlegene, wissende Blick. Als wollten seine Augen mir sagen: »Gefällt Ihnen der Traum, den ich Ihnen schicke?«
    Ich tastete nach der Lampe, um Licht zu machen, doch das Gesicht war schon wieder verschwunden.
    Ein Letztes noch. Der Traum mit der Frau war der gleiche, bis auf einen wesentlichen Unterschied. Diesmal lag ich mit ihrer gehäuteten Leiche im Bett – so wie Hirem und ich sie beerdigt haben.
    Also gut, nun sagt mir: Bin ich verrückt?

(6)
    Eins
    Ich halte Sie nicht für verrückt, Doc«, sagte der Reverend. »Aber ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das alles schlucke. Sie glauben wohl, was Sie sagen, aber Sie könnten furchtbar auf dem Holzweg sein.«
    »Dass du am Fenster ein Gesicht gesehen hast«, sagte Abby, »das glaube ich dir, Dad. Aber das hast du geträumt. Du fühlst dich schuldig wegen dem, was diesem Indianer und der Negerin passiert ist. Vielleicht denkst du, du hättest es verhindern können. Und dass du diese Frau begehrt hast – das ist

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