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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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am meisten überraschte – was die meisten Leute am meisten überrascht –, waren die vielen unbebauten Grundstücke überall. Immer wieder sah man Felder einsamer Wüste zwischen den pulsierenden Monolithen, kleine Inseln finsterer Stille, die nur darauf warteten, erschlossen zu werden. Hat man erst einmal in ein oder zwei Kasinos gesehen, wie das Geld in Strömen dort hineinfließt – wie Kies von einem Kipplaster – dann scheint es kaum vorstellbar, dass es in dieser Welt noch genügend Geldreserven für weitere Kasinos geben soll. Und dennoch, es werden immer mehr. Die Habgier des Menschen ist unersättlich. Das gilt auch für mich.
    Ich ging in Caesar’s Palace. Das Kasino liegt ein gutes Stück abseits der Straße, doch ein Rollsteg beförderte mich direkt hinein, was mich ziemlich beeindruckte. Drinnen triumphierte die Unwirklichkeit. Das Innere des Kasinos sollte vermutlich einen römischen Tempel oder etwas in der Art darstellen. Überall standen Statuen römischer Gladiatoren und Staatsmänner herum,
und die weiblichen Angestellten, die das Geld wechselten, trugen knappe Togen, auch wenn sie alt und übergewichtig waren, und die meisten von ihnen waren alt und übergewichtig, so dass beim Gehen ihre Oberschenkel schwabbelten wie Wackelpudding. Ich wanderte durch Hallen voller Menschen, die fest entschlossen waren, ihr Geld zu verspielen. Unermüdlich fütterten sie die Spielautomaten mit ihren Münzen oder sahen dem klappernden Tanz der Roulettekugeln zu oder saßen an den Spieltischen und beteiligten sich an einer Runde Black Jack, die keinen Anfang und kein Ende hatte, sondern so gleichförmig weiterlief wie die Zeit. Hier unterlag alles einer von Gier durchdrungenen Monotonie. Keine Spur von Vergnügen oder Spaß. Nie sah ich, dass Leute miteinander sprachen, außer wenn sie einen Drink bestellten oder Geld wechselten. Und es war laut. Die Hebel der einarmigen Banditen, die unentwegt rotierenden Glücksräder und das Getöse der Münzen, die aus den Spielautomaten prasselten, sorgten für eine gewaltige Geräuschkulisse.
    Ein Fräulein in einer Toga, die ihr gerade bis an die schwabbeligen Oberschenkel reichte, lief mir über den Weg, und ich tauschte 10 Dollar in Quarters um. Ich steckte eine der Münzen in einen einarmigen Banditen – zum ersten Mal in meinem Leben; ich stamme aus Iowa –, zog den Hebel herunter und sah zu, wie sich die Rädchen drehten, bis eins nach dem anderen einrastete. Es folgte eine kurze Pause, und dann spuckte der Automat sechs Quarters aus. Ich hing am Haken. Ich stopfte mehr Münzen hinein. Hatte ich sie verloren, fütterte ich die Maschine aufs Neue. Manchmal ließ sie mich ein paar Quarters gewinnen, und ich stopfte auch sie wieder hinein. Nach fünf Minuten hatte ich keinen einzigen Quarter mehr. Ich hielt eine andere Vestalin mit üppigen Hüften an und tauschte weitere 10 Dollar. Dieses Mal gewann ich auf einen Schlag 12 Dollar in Quarters. Es machte einen gewaltigen Lärm. Stolz blickte ich um mich, doch niemand nahm von mir Notiz. Dann gewann ich noch einmal 5 Dollar. Hey, das ist mein Glückstag, dachte ich. Ich nahm all
meine Quarters und packte sie in einen kleinen Plastikeimer mit der Aufschrift Caesar’s Palace. Wie sie mich so anfunkelten, schienen es schrecklich viele zu sein, aber zwanzig Minuten später war der Eimer leer. Ich besorgte mir noch einmal Quarters für 10 Dollar und warf sie Münze für Münze ein. Manchmal gewann ich, manchmal verlor ich. Allmählich begann ich das System zu verstehen: Für vier Quarters, die ich einwarf, bekam ich durchschnittlich drei zurück, manchmal alle auf einmal, manchmal kleckerweise. Mein rechter Arm begann zu schmerzen. Es war langweilig, immer und immer wieder den Hebel herunterzuziehen und zuzusehen, wie sich die Räder drehten und eins nach dem anderen einrasteten, eins, zwei, drei – und das Ganze wieder von vorn. Mit meinem letzten Quarter gewann ich 3 Dollar, was mich einigermaßen enttäuschte, denn ich hatte gehofft, endlich essengehen zu können. Nun hatte ich wieder eine Hand voll Münzen. Pflichtbewusst stopfte ich sie in den Automaten und gewann noch etwas hinzu. Langsam wurde es lästig. Schließlich, nach ungefähr einer halben Stunde, war ich auch den letzten Quarter los und konnte mich auf die Suche nach einem Restaurant machen.
    Auf dem Weg zum Ausgang wurde ich auf einen Spielautomaten aufmerksam, der ein ohrenbetäubendes Getöse veranstaltete. Eine Frau hatte soeben 600 Dollar gewonnen.

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