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Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika

Titel: Strassen der Erinnerung - Reisen durch das vergessene Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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jedem Haus war eine Satellitenschüssel gen Himmel gerichtet, als wolle man mit ihr eine Leben spendende Kraft im Universum anzapfen. In gewisser Weise stimmte das ja. Inmitten der Hügel wurde es schnell dunkel. Überrascht stellte ich fest, dass es schon nach sechs Uhr war, und beschloss, eine Bleibe für die Nacht zu suchen. Wie gerufen kam Carbondale in Sicht.
    Näherte man sich früher einer Kleinstadt, säumten eine Tankstelle und eine Filiale von Dairy Queen die Straße. War es eine viel befahrene Straße oder eine Stadt mit College, gab es vielleicht noch ein oder zwei Motels am Stadtrand. Inzwischen nennt jede Stadt, und sei sie noch so bescheiden, mindestens eine Meile voller Schnellrestaurants, Motels, Discountläden und Einkaufszentren ihr Eigen – jeweils mit einem zehn Meter hohen Neonschild und einem Parkplatz wie bei Shropshire davor. Carbondale schien aus nichts anderem zu bestehen. Kaum hatte ich die Stadt erreicht, drängten sich über eine Länge von zwei Meilen Einkaufszentren und Tankstellen, K-Marts, J. C. Penneys, Hardees und McDonald’s entlang der Straße. Und plötzlich war ich wieder auf dem Land. Ich wendete und fuhr über eine Parallelstraße noch einmal durch die Stadt. Bis auf eine leicht abgeänderte Anordnung bot sich hier exakt dasselbe Bild. Und dann war ich wieder auf dem Land. Es war eine Stadt ohne Mittelpunkt. Einkaufszentren hatten alles überwuchert.
    Ich nahm ein Zimmer im Heritage Motor Inn und machte mich sodann erneut auf die Suche nach Carbondale. Vergeblich. Ich war verblüfft und desillusioniert. Bevor ich mich auf diese Reise begeben hatte, hatte ich nachts oft wach in meinem
Bett in England gelegen und stellte mir vor, wie ich mich jeden Abend in einem Motel in irgendeiner Kleinstadt einquartieren, dann über Gehsteige in die Stadt schlendern und in Betty’s Family Restaurant im Herzen der Stadt ein Gericht von der Tageskarte bestellen würde. Anschließend würde ich mir einen parfümierten Zahnstocher zwischen die Zähne schieben und durch das Städtchen bummeln. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde ich in Vern’s Midnite Tavern Zwischenstation machen, ein paar Bierchen hinunterspülen und mit den Jungs eine Runde Billard spielen. Oder ich würde mir einen Film ansehen oder in der Val-Hi Bowling Alley der Friseurliga beim Kegeln zuschauen, bevor ich den Abend mit ein paar Runden Flippern und einem Käsesandwich beschließen würde. Aber hier gab es keinen Platz im Herzen der Stadt, zu dem man hätte bummeln können. Es gab kein Betty’s, keine Tageskarten, keine Vern’s Midnite Tavern, kein Kino, keine Bowlingbahn. Kurzum, es gab keine Stadt, nur sechsspurige Highways und Einkaufszentren. Nicht einmal Gehsteige gab es hier. Wie ich feststellen musste, war ein Stadtbummel ein ganz und gar lächerliches und unmögliches Unterfangen. Ich musste Parkplätze und Tankstellen überqueren und stand immer wieder vor niedrigen, weißen Mauern, die die Grenze sagen wir zwischen Long John Silver’s Seafood Shoppe und Kentucky Fried Chicken markierten. Um von einem zum anderen zu gelangen, musste man über die Mauer steigen, eine begrünte Böschung erklimmen und sich durch ein Meer geparkter Autos seinen Weg bahnen. So sah das Schicksal eines Fußgängers aus. Die Blicke, die mir die Leute zuwarfen, während ich atemlos die Böschung hinaufkraxelte, ließen sich nur so deuten, dass es bisher niemand versucht hatte, sich aus eigener Kraft von Long John Silver’s Seafood Shoppe bis zu Kentucky Fried Chicken fortzubewegen. Es wurde von jedem erwartet, in sein Auto zu steigen, die drei Meter zum nächsten Parkplatz zu fahren, das Auto zu parken und auszusteigen. Niedergeschlagen erreichte
ich eine Pizza Hut und ging hinein. Die Kellnerin führte mich zu einem Tisch mit Blick auf den Parkplatz.
    Um mich herum aßen alle Leute Pizza – jede einzelne so groß wie das Rad eines Busses. Direkt mir gegenüber – unausweichlich in meiner Blickrichtung – versenkte ein übergewichtiger Mann von ungefähr dreißig Jahren keilförmige Teigecken in seiner Mundöffnung. Er sah aus wie ein Schwertschlucker bei der Arbeit. Die Vielfalt der Speisekarte war verwirrend. Die Auflistung der verschiedensten Arten von Pizza in den verschiedensten Größen und Zusammenstellungen umfasste mehrere Seiten, so dass ich noch ratlos davor saß, als die Kellnerin erschien. »Möchten Sie bestellen?«
    »Tut mir Leid«, antwortete ich. »Ich brauche noch ein Weilchen.«
    »Gern«,

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