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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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einzige, der sie bemerkte.
    Die beiden Männer gingen, La Rochelle voraus, Bosch hi n terher, zum anderen Ende des Gartens. An einer Stelle etwa fünfzig Meter von mir entfernt blieben sie stehen. Dort unte r hielten sie sich noch ein paar Minuten, wobei Bosch ununte r brochen zappelte. La Rochelle nahm die Zigarre aus dem Mund und trat sie nur Zentimete r v on Boschs Fuß entfernt im Gras aus. Dann hob er die Hand und schlug zweimal in Boschs feistes Gesicht, auf jede Seite einmal. Die Schläge hörten sich auf diese Entfernung lediglich wie das Schlagen einer winz i gen Uhr an, wie ein Mann, der mit dem Stock auf den Gehweg pocht.
     
    »Darüber seid ihr jetzt alle hinaus. Warum lassen wir das Thema nicht fallen? « hörte ich Fred am anderen Ende des Rohres sagen. Ich spürte, wie dankbar ich auf seine Stimme reagierte.
    »Wovon lebt Charles La Rochelle eigentlich wirklich? « fragte ich.
    »Was? « sagte Morgan.
    »Ich glaube, ihm gehört der Tennis Club, nicht? « sagte Jo a nie. »Was hat das damit zu tun? «
    »Er ist ein sonderbarer Mann «, sagte ich.
    »Ich finde ihn interessant «, sagte Joanie.
     
    Während ich in der Sonne saß, ließ das Gefühl der gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit rasch nach und wich einer betäubten Mattigkeit. Morgan, die spürte, dass ich, ebenso wie sie, nicht eben gut auf Joanie zu sprechen war – auch sie konnte Fred gut leiden und war später betroffen, als Joanie mitteilte, sie habe ihn verlassen –, ließ sich von einem vorübergehenden Kellner einen Drink für mich bringen. Als Maxine kam, um uns wieder in eines der Zelte zu holen, fühlte ich mich, als w ä re ich in eine dicke Watteschicht eingehüllt.
    »Ich bin froh, dass ihr euch alle so gut versteht «, sagte sie. »Es freut mich zu sehen, dass wir alle eine große, glückliche Familie sind. Aber, Morgan und Owen, seid ihr nicht schon schrecklich lange hier draußen? «
    »Mutter, kannst du ihnen nicht ein wenig Ruhe gönnen? « Joanies taktlose Art, ihre Eltern vor den Kopf z u s toßen, wu r de mir allmählich klar. »Immerhin «, fuhr sie fort, »heiraten sie heute. «
    Morgan stand auf. »Sei still «, sagte sie. »Owen, ich finde, wir sollten wirklich wieder hineingehen. «
    Ich war fast aufgestanden. »Einverstanden «, sagte ich.
    Wir gingen wieder zu den Zelten und widmeten uns in der folgenden halben Stunde Maxines Gästen. Morgan demo n strierte wieder ihre hervorragende Erinnerung daran, welches Paar welches Geschenk geschickt hatte. Ich spürte, wie sich in der kühlen Atmosphäre des Zelts mein Kopf allmählich klärte. Morgan ging dazu über, mir kleine Sandwiches anstatt Drinks zu geben.
    Als ich mir gerade vorkam, als wäre ich in einem Gol d fischglas, von wo ich zusah, wie Lippen bewegt und Münder von Lächeln geteilt wurden, wie in einer üppigen Parodie auf Gesten, platzte Joanie in meine Stimmung hinein und machte mir wieder meine gesteigerte Wahrnehmung bewusst . Sie wa r tete neben Morgan, bis diese mit der Unterhaltung fertig war, in die sie vertieft war, dann sprach sie sie ungeduldig an.
    »Hör zu, Morgan, Las uns Freunde sein, ja? Ich weiß, du bist ein wenig böse auf mich, und Papa auch, aber ich möchte, dass wir Freunde sind. Können wir es nicht versuchen? «
    (Ich glaube, als sie das sagte, war Joanie wirklich ehrlich und aufrichtig. Im Augenblick wünschte sie sich Verbunde n heit zwischen ihr und ihrer Schwester. Solche Stimmungen waren bei Joanie nichts Ungewöhnliches. Sie schrieb oft lange Briefe an Morgan, in denen sie versuchte, die nur halb ve r standene Feindschaft aus der Welt zu schaffen, die am Tag unserer Hochzeit zwischen den beiden Schwestern entstanden war, als wir vier in einem Kreis von Tellern auf dem Rasen saßen. Doch als Joanie und ich Jahre später miteinander ins Bett gingen, nachdem wir im Yacht Club, an der Reling über dem H af en, eine lange und intime Unterhaltung gehabt hatten, eine Unterhaltung voll versteckter sexueller Anspielungen, sagte sie zu mir: »Das geschieht Morgan recht, dieser Hexe. « Dieser Impuls war es – Morgan nannte es Joanies › Egoismus ‹ , aber mir kam es mehr wie Neid und Eifersucht vor –, weshalb sie Morgan, als die beiden zusammen in Israel waren und g e meinsam am Strand von E il at schliefen, von unserer kurzen Affäre erzählte. Da Morgan zu dem Zeitpunkt aber bereits von meiner Beziehung zu der Frau wusste , hatte diese Eröffnung nicht den von Joanie gewünschten Effekt – ein vier Jahre z u rückliegender

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