Straub, Peter
denen Sie nicht eingeladen waren. Ich nehme ein oder zwei Geschäftsessen davon aus, und die waren ste r benslangweilig. «
Sie lächelt; meine versteckte Anspielung auf ihre Eitelkeit hat ihren Zorn verrauchen lassen. »Nun, vielleicht sind sie heute Abend langsam. Warum legen wir nicht eine Platte auf und sehen zu, ob sie das auf Trab bringt? «
Sie führt mich zur Stereoanlage, einem glänzenden Ding aus Plexiglas und Holz auf dem Boden. »Was sollen wir spi e len? « Sheila kauert vor dem Plattenregal und sieht die Platten durch. Ich setze mich auf den Boden neben sie: Boheme.
»Etwas Lebhaftes. «
Der Summer ertönt wieder. Sheila hebt die Hand und winkt, als wollte sie ihm befehlen, damit aufzuhören. Er hört auf.
»Oh, hier ist etwas Nettes «, sagt sie. »Das legen wir zuerst auf. Dann etwas Lebhafteres. « Sie zieht eine Schallplattenhü l le heraus. Dann geht sie die anderen Platten durch und gibt ab und zu einen missbilligenden Laut von sich. Schließlich hat sie zwei weitere Platten gefunden. »Die hier «, sagt sie. »Das sind neue Platten von amerikanischen Gruppen. «
Sie steckt drei Langspielplatten auf den Plattenwechsler, e i ne Praxis, die mir die Frau abgewöhnt hat. Dann befestigt sie den geschwungenen Stützarm und drückt einen Knopf an dem Plattenspieler. Eine der Platten fällt wie ein Teller auf den kreisenden Plattenteller. Die Nadel senkt sich auf die Platte. Fröhliche, muntere Musik tönt aus den Lautsprechern. Was ist das?
Die murmelnden Stimmen schwellen mehrere Dezibel an. Ich sehe von der Stereoanlage zur Tür und erblicke Jack Goldsmith, der ins Zimmer geeilt kommt. Er bleibt einen A u genblick stehen und sieht sich nervös um; ich kann sehen, wie er Morgan ansieht, ihr zulächelt und dann den Raum mit noch größerer Dinglichkeit absucht. Die Leute zwischen uns drä n gen sich einen Augenblick zusammen, und ich verliere ihn aus den Augen, bis sie sich wieder teilen, dann sieht er mich und seine Frau neben dem Plattenspieler kauern. Seltsamerweise sieht er erleichtert aus. Dann verändert die Gruppe wieder ihre Position, und ich sehe die Kehrseite eines kräftigen jungen Mannes in Levis und einer Jeansjacke. Ich sehe wieder in Sheilas Gesicht.
»Was ist das für eine Musik? Ich weiß, dass ich sie kenne, aber ich kann mich nicht erinnern …«
Sheila legt mir die Hand auf die Schulter. Ihr dunkles G e sicht nähert sich meinem.
»Nächte in spanischen Gärten – perfekte Fische-Musik. « Sie scheint sich über einen privaten Scherz zu amüsieren, denn ihre leuchtenden Saphiraugen strahlen, der Mund ist zu einem warmen Lächeln verzogen.
»Warum? Sind Sie Fische? « Ich verstehe die Anspielung nicht und fühle mich etwas verspottet.
»Ja «, sagt sie. »Aber Sie auch. Das hat Morgan mir gesagt. «
Sie stützt sich mit der Hand auf meiner Schulter und steht auf, ich bleibe neben der Stereoanlage kauern. Anstatt mich der unausgesprochenen Aufforderung zum Aufstehen zu f ü gen, lasse ich mich ganz auf den Boden zurücksinken und strecke die Beine aus. Sheila, die vor mir steht und aufgrund meiner Perspektive verzerrt ist, scheint nur aus Beinen und Brüsten zu bestehen.
»Ich habe gerade Jack hereinkommen gesehen. Er schien wegen irgendetwas aus dem Häuschen zu sein. « Das Strahlen in ihrem Gesicht erlischt einen Augenblick. Sie kniet wieder an meiner Seite.
»Gerade eben? «
»Als wir die Platte aufgelegt haben. «
Sie atmet aus und bläst dabei die Wangen auf. »Das ist nett von ihm. Ich war nicht sicher, ob er zurückkommen würde. «
Ihre Stimme und ihr Benehmen sind seltsam unbeteiligt – ich spüre, dass sie im Grunde genommen besorgt ist, was den Erfolg ihrer Party anbelangt. Sie neigt sich wieder zu mir, eine wunderschöne Hexe in einer Pantomime.
»Hören Sie «, sagt sie. »Ich weiß, er wird mit Ihnen reden. Er denkt, dass Sie der einzige wirklich erwachsene Mensch sind, den er kennt. Aber glauben Sie nicht, was er Ihnen sagen wird. «
Ich muss so skeptisch aussehen, wie mich ihre Worte g e stimmt haben. Jacks Gesicht unter der Tür war voll Kummer und Anspannung gewesen, nicht das Gesicht eines Mannes, der eine vorsätzliche Lüge erzählt. Sheila neigt das Gesicht einen Augenblick und senkt den Blick.
»Nun, ich wollte nicht sagen, dass er Sie belügen wird. A k zeptieren Sie einfach nicht nur seine Version. «
Ich möchte sie fragen, was los ist, aber stattdessen e mpfinde ich Zärtlichkeit für sie und ihr gehütetes Geheimnis. Im A u genblick
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