Straub, Peter
Ehebruch war weiß Gott keine aufregende Ne u igkeit für sie.)
Morgan wurde weich, während sie ihre Schwester ansah. Als die beiden sich gerade die Hand reichten, kam Maxine herbeigeeilt und sagte uns, dass nun der Zeitpunkt gekommen wäre, die Hochzeitstorte anzuschneiden.
Danach gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Wir posierten für den Fotografen hinter der paradiesischen Torte und schnitten ein Stück von der untersten Schicht ab, dann nahm mir ein Koch das Messer aus der Hand und verteilte die Stücke an die Gäste. Morgan und ich aßen unser Stück, dann gingen wir ins Haus, um das anzuziehen, was Maxine unsere › Reiseaussta t tung ‹ nannte. Als wir nach unten kamen, standen alle Gäste am Fuß der Treppe, bis auf den Rasen hinaus. In der Menge sah ich, wie Papa Joanie hastig etwas ins Ohr flüsterte; sie machte einen gelangweilten und desinteressierten Eindruck. Morgan warf den Brautstrauß. Er wurde, glaube ich mich zu erinnern, von einem zehnjährigen Mädchen aufgefangen, einer Nichte von Maxine, die später, als Erwachsene, zum Katholizismus bekehrt und Nonne wurde. Jahre danach kam sie zu besche i denem Ruhm, als sie den Gär tn er des Stifts heiratete, wo sie unterrichtete, und einen Orden verheirateter Nonnen gründete. Man hielt sie für eine brillante Theologin. Charles La Rochelle und seine Frau standen am Fuß der Treppe, als wir nach unten kamen, und er schlug mir im Vorbeigehen auf den Rücken. »Alles Glück der Welt «, bellte er. Seine Frau zupfte ihn am Ärmel. Ich hielt nach Sandy Bosch Ausschau, konnte ihn aber nicht sehen. Wahrscheinlich war er an der Bar, dachte ich.
Am nächsten Tag kauften wir die Zeitung und sahen Mo r gans Bild darin; mit dem blauen Blumenband sah sie wirklich entzückend aus. Ein anderes Bild zeigte uns vier, Joanie, Fred, Morgan und mich, wie wir in dem Kreis aus Tellern saßen und Fred uns die deformierte Zigarette hinhielt. Die Bildunte r schrift lautete: »Hochzeitspaar und unbekannte Gäste bilden bei High Society Fest eine Kommune. « Als wir nach einem langen Essen und einer Flasche gekühltem Weißwein ins H o tel zurückkamen, fanden wir einen Brief von Papa vor, in dem er uns mitteilte, dass Sandy Bosch gegen alle Warnungen da r auf bestanden hatte, selbst nach Hause zu fahren, und dass er auf dem Freeway das Auto gegen einen Betonpfeiler gefahren hatte. Er selbst war unverletzt. »Der Narr fuhr direkt darauf zu «, schrieb Papa. »Ich glaube, der Herr beschützt Schläfer, Narren und Betrunkene. « Später erfuhren wir, dass Joanie und Fred am Tag nach der Feier inmitten eines bitteren Streits mit Maxine und Papa, weil Fred die Universität verlassen hatte, nach Boston zurückgefahren waren. Joanie schrieb Morgan einen langen erklärenden Brief über den Streit, den wir in den Flitterwochen in Charlotte Amalie erhielten.
3
»Glauben Sie an die Sterne? Glauben Sie an Astrologie? «
Sheila Goldsmith, die eine durchsichtige Bluse aus einem glitzernden Material trägt, darunter keinen BH, und einen Rock, der sich eng an ihre unglaublichen Hüften schmiegt, sieht mir direkt in die Augen. Ich fühle mich von ihrer Art hypnotisiert. In ihrem dunklen ovalen Gesicht hat Sheila A u gen, die so blau wie Saphire sind, von goldenen Flecken durchsetzt, deren Faszination man sich nicht entziehen kann. Wie viele dunkelhäutige Frauen umgab auch Sheila eine Aura potentieller Ruchlosigkeit.
»Überhaupt nicht «, sage ich. »Sie glauben doch nicht an diesen Unsinn, oder? Großer Gott, Sheila – die Zukunft vo r hersagen! « Ich fülle mein Glas an der Teacher ’ s-Flasche auf der Theke nach. Ein lautes Summen hallt von den Wänden.
»Einen Augenblick «, sagt sie. »Ich muss die Tür aufm a chen. Ich habe keine Ahnung, wo Jack wieder steckt. « Sie en t fernt sich von mir, nicht ohne mir noch einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen, und verschwindet in der Menge. Ich warte einen Augenblick.
Als wir nach London gezogen waren, hatte Morgan Sheila in einer Metzgerei in Bloomsbury kennen gelernt . Sie hatten sich zurückhaltend miteinander unterhalten, wie Amerikaner es tun, wenn sie ihren Akzent in einem fremden Land hören. Überraschenderweise und durch einen jener seltsamen Zufälle, der Fremde dazu bringen kann, erste zögernde Schritte einer Annäherung zu unternehmen, waren sie gut miteinander au s gekommen. Eine Woche später hatte Morgan Sheila und ihren Mann auf ein paar Drinks in unsere Unterkunft eingeladen; seither hatten wir uns einige Male
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