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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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an, dass von allen Kennern und Genießern, die ich auf der Welt kennen mochte, einzig und allein Abe Gabriel meine ausgefallenen Neigungen wirklich befriedigen könnte. Exotische Liköre, jüdische Frauen, arab i sche Knaben, Narkotika, Tiere, wenn das auf meiner Ebene läge, das alles deutete das breite, dunkle Gesicht an. Ich fragte mich, was Joanie ihm von mir erzählt hatte.
    »Ich habe eigentlich nicht vor, momentan nach Israe l z u g e hen «, sagte ich. »Ich muss noch meine geschäftlichen Angel e genheiten regeln, dann breche ich zu einer Reise nach Fran k reich auf. Ich fürchte, ich werde gleich gehen müssen. «
    Er winkte mit der Zigarette in der Luft. »Ein anderes Mal, ein anderes Mal. Dann werden Sie mein Haus in Haifa sehen. Es ist etwa wie dieses, aber größer und nicht so ernst. « Er tat nicht so, als hätte er meine Bemerkung gehört.
    »Wie lange werden Sie in London bleiben? « Ich wollte nicht, dass er sich weiter über dieses Thema ausließ.
    »Zwei oder drei Wochen. Ich habe den Rückflug Mitte A u gust bei El AI gebucht. Dies ist nur ein Urlaub für mich, eine Gelegenheit, mich neu einzukleiden. Ich kam direkt vom Flughafen hierher, weil Joanie sich so sehr wünschte, dass wir uns kennen lernen . « Diesesmal ließ das Lächeln keinen Zwe i fel daran, was Joanie ihm erzählt hatte.
    »Studieren Sie in Haifa? « fragte ich. Nun, da ich den Grund für Abes Kumpelhaftigkeit kannte, wurde er mir zunehmend unangenehmer; ich wollte ihn auf ein unverfänglicheres Th e ma bringen und dann anfangen, meine Unterlagen zu ordnen und ihn bitten zu gehen.
    »Hat Joanie Ihnen nichts von mir erzählt? « Sein Strahlen ließ eine oder zwei Stufen nach.
    »Nicht viel. «
    »Letztes Jahr habe ich studiert. Dann habe ich aufgehört. Kein vif. In Haifa gibt es soviel zu tun, zuviel Leben, um nur in Vorlesungen herumzusitzen und sich englische Geschichte oder Wirtschaftsstatistiken anzuhören. Ich bin gebildet. Ich kenne diese langweiligen Dinge alle schon, denn ich bin ein Weltbürger. Ich möchte einen Job suchen, etwas Aufrege n des. « Er sah mich eigentümlich an.
    »Etwas Bestimmtes? Ich bin sicher, Sie werden etwa s fi n den , das Ihnen zusagt. « Ich stellte fest, dass ich unbewußt in die Formeln des Arbeitsamtes verfiel.
    Er verschränkte die Finger ineinander und sah sie einen Augenblick an, als wäre er ein Schachspieler, der über den nächsten Zug nachdenkt. Zum ersten Mal sah ich ihn ernst: Nun sah sein Gesicht auf beängstigende Weise anders aus als mit dem Reklameseitenlächeln.
    »Ich brauche etwas, das meiner Begabung angemessen ist «, sagte er schließlich. »Etwas, das ich ohne mich zu schämen tun könnte, irgend etwas als Angestellter in leitender Position. Verstehen Sie? «
    Ich versuchte, ihn mir als leitenden Angestellten vorzuste l len. »Nicht ganz «, sagte ich.
    Sein Gesicht wurde wieder zu diesem wissenden, junge n haften Ding, das es zuvor gewesen war. Er breitete dramatisch die Hände aus. »Ihr Amerikaner seid großartig! Die Welt kann soviel von euch lernen! Ihr seid so offen, so freundlich, und doch so … intim. Das sind Eigenschaften, die ich bewundere, mein Freund. « Er faltete die Hände wieder: der Zauberer hatte seine Tücherkette aus dem Ärmel gezaubert.
    Ich stand vom Sessel auf und ging zu meinem Schreibtisch. Dort stand ein offener Aktenkoffer, und ich begann, meine Unterlagen hineinzusortieren. Als ich den Koffer zuklappte, setzte ich mich hinter den Schreibtisch und sah in seine Ric h tung. »Haben Sie sich in Haifa nach Arbeit umgesehen? «
    »Haifa ist kein interessantes Gesprächsthema «, sagte er.
    Ich sank ein wenig tiefer in den Sessel. Anstatt all das zu sagen, was mir in den Sinn kam, ausnahmslos interessante G e sprächsthemen, sagte ich gar nichts, sondern sah ihn nur über den Schreibtisch hinweg unverwandt an.
    »Meine Eltern sind unzufrieden mit mir «, begann er.
    »Mein Vater ist ein särr ernster, särr altmodischer Mann. Er akzeptiert nicht, dass ich ein reizendes Mädchen heiraten möchte. Er würde sagen: Das ist keine Ehe. Sie ist nicht Jüdin. Mir wäre es angenehmer, in einem anderen Land zu leben, wenn ich Ihre Schwägerin geheiratet habe. Wie Sie, finde ich die Engländer ganz reizend. «
    Ich nickte. Dann nahm ich den Aktenkoffer und hielt ihn einen Augenblick auf dem Schoß, bevor ich ihn auf den Boden stellte. Ich steckte einen Kugelschreiber in die Brusttasche.
    »Es ist wichtig, Frieden in der Familie zu haben, nicht? «
    »Frieden

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