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Straub, Peter

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Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
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Magruder hatte uns die Hände g e schüttelt und war zögernd ausgestiegen. Er war mehrere S e kunden stehen geblieben , hatte die Hände auf das Autodach gelegt und schien zu versuchen, sich an etwas zu erinnern; aber er hatte dann doch lediglich seinen Rucksack genommen, gewinkt und war in Richtung eines Cafes verschwunden.
    »Wohin gehen wir? « fragte ich sie, aber sie antwortete nicht. Wir fuhren langsam und schweigend die herrliche, lange Avenue entlang, den Cours Mirabeau, von Bäumen gesäumt und von Laternen erhellt, bis wir die Mitte des zweiten Blocks erreichten. Dort steuerte sie an den Straßenrand, und wir hie l ten an. Ihre Augen blitzten mich in der Dämmerung an. Ich öffnete die Tür und trat unter den Baldachin eines Hotels hi n aus. Vor mir, aus einem Rahmen heller Glastüren, sah ein un i formierter Mann stirnrunzelnd auf mich herab.
    »Hier haben Mami und ich damals im Sommer gewohnt «, sagte sie. Der Portier öffnete ihre Tür. »Ich möchte auch hier wohnen. « Der Portier blies in eine Pfeife, die er an einer Kette um den Hals trug, worauf ein Junge in gestreifter Weste aus dem Haus gerannt kam. Er schlüpfte auf den Sitz, drehte den Zündschlüssel herum und fuhr mit unserem Auto weg. »Sieht aus, als würden wir ein Zimmer bekommen «, sagte die Frau.
    Als wir auf unser Zimmer geführt worden waren und den Anblick der Baumkronen im Lampenlicht bewundert hatten, sagte die Frau, nachdem der Page gegangen war: »Heute nachmittag bin ich mit Magruder ins Bett gegangen. «
    »Du meinst, du hast ihn verführt, weil du ihn beherrschen konntest? «
    Sie hing ihr Kleid in den Schrank. »Nein, nicht desw eg en. Es war ein Experiment. Als ich sah, dass ich ihn schon b e herrschte, konnte auch der Rest geschehen. «
    Sie war so nüchtern! Ihr kaltes Benehmen stachelte meinen Zorn an. »Aber … weißt du, du könntest versuchen, das ein wenig deutlicher zu erklären. Du kannst nicht einfach in der Gegend herumfahren und Anhalter ficken! «
    Sie zog den weißen Slip aus, den sie unter dem weißen Kleid getragen hatte, und blieb nackt unter der Badezimmertür stehen. In diesem Augenblick begehrte ich sie mehr denn je, wütend und von einem verständnislosen Zorn erfüllt. Bronz e farbene Haut und weiße Haut – sie sah schöner denn je aus.
    »Ich habe dir die Erklärung gegeben. Sei nicht so wütend darüber, dass du sie nicht hören kannst. «
    »Gut «, sagte ich. »Drück dich verständlich aus. «
    »Ganz einfach. Du bist nicht mein Ehemann. Du bist nicht mein Ehemann. Als mir das klar geworden war, wurde mir auch klar, dass ich völlig frei bin. Ich wollte fühlen, dass me i ne Freiheit wirklich ist, dass ich sie ausleben könnte. Manc h mal fühle ich mich dir so nahe, dass es klaustrophobisch ist. Ich wollte in meinem Denken eine gewisse Distanz herste l len. «
    Sie ging ins Bad und ließ heißes Wasser einlaufen. »Ve r stehst du? «
    »Und anstatt mit mir darüber zu reden, bist du einfach in Magruders Hotel mitgegangen und zu ihm ins Bett gehüpft? Nein, das ist unsinnig. Ich verstehe es nicht. «
    Ich ging in das dampfige Bad. Sie sah zu, wie das Wasser einlief und drehte abwechselnd am einen oder anderen Hahn. »Machst du bitte die Tür zu «, fragte sie.
    Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, füllte der winzige Raum sich rasch mit Dampf. Die Frau drehte das Wasser ab und trat zögernd in die Wanne; dann legte si e s ich in das heiße Wasser. Sie schien in dem dichten, schwadenförmigen Dampf zu schweben.
    »Hast du begriffen, weshalb ich es dir erzählen wollte? «
    »Überhaupt nicht «, sagte ich.
    »Sei nicht so mürrisch. «
    »Verdammt, ich bin nicht mürrisch! Ich bin wütend und g e kränkt, und du benimmst dich, als würdest du mir erzählen, wie du dir einen neuen Badeanzug gekauft hast! «
    Sie bewegte sich in der Wanne und führte die mit Wasser gefüllte hohle Hand zum Gesicht. Dann sank sie wieder z u rück, bis das Wasser ihren Nacken bedeckte. »Ist hier irgen d wo Seife? «
    »Um Himmels willen, was soll das? «
    »Seife? «
    Ich drehte mich kopflos herum und sah zwei Seifenstücke auf dem Waschbecken liegen. Ich gab ihr eines.
    »Ich wollte dir nur zeigen, welche Freiheit wir tatsächlich haben. Und ich sage es dir, weil ich keine Lügen zwischen uns möchte. «
    Sie rieb die Seife zwischen ihren Händen. Eine milchige Wolke quoll daraus hervor. Ich nahm auf dem Rand der Wa n ne Platz und verfolgte, wie ihr Körper vom milchigen Seife n schaum verschluckt

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