Straub, Peter
wurde.
»Wir sind also frei. Ich dachte, das wüssten wir. Wir haben uns nicht so verhalten, als wären unsere Ehen ein Hindernis. «
»Nein «, sagte sie. »Ich spreche von meiner Beziehung zu dir – unserer Beziehung –, nicht von unseren Ehen. Das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge. «
Während ich auf sie hinabsah, wie sie in dem dampfenden Wasser lag, verspürte ich den übermächtigen Wunsch, meine Hände auf ihre Schultern zu drücken und so lange zu warten, bis sie sich nicht mehr bewegte.
Gleichzeitig durchbohrte mich ein überaus intensives kö r perliches Verlangen. Mein Magen verkrampfte sich schmer z haft. Ich fragte sie, ob die Episode mit Magruder sie eine we i tere, dritte Art der Liebe gelehrt hatte.
»Eigentlich hat sie mich gar nichts gelehrt «, sagte sie. »Er war zu gehemmt. «
»Ich denke, das sollte mir für dich leid tun «, antwortete ich.
»Es war schlimmer, als du denkst. Er konnte überhaupt nichts tun. Er tat mir leid, aber gleichzeitig war ich sehr e r leichtert. Der arme Mann konnte nichts anderes tun als erröten. Er war ein völliger Versager. Wir haben nur miteinander ger e det. «
Oh, dachte ich, du bist wirklich eine Hexe.
3
Ich weiß nicht, wann ich endlich die Wahrheit über Gabriel und Sheila Goldsmith begriff. Ich glaube, sie müssen ihre A f färe in dem Monat begonnen haben, als ich in Frankreich war und Morgan in Israel, doch alle Anzeichen einer spontanen körperlichen Anziehung waren zu erkennen, als sie sich zum ersten Mal begegneten, daher könnte ihre Beziehung auch la n ge vorher begonnen haben, schon Ende des regnerischen Juli. Ich bin jedenfalls sicher, dass sie nicht lange nach ihrer ersten Begegnung begann, denn ich wurde Zeuge der verspielten, neckischen und dabei dennoch völlig ernsthaften Atmosphäre, die sie schufen. Seit ich sie einander vorgestellt hatte, stellte ich fest, dass sie länger als alle anderen bei der Arbeit blieben; und später, auf dem Höhepunkt meiner eigenen Probleme, musste ich feststellen, dass ich zwischen äußerst erregten Ind i viduen vermitteln musste .
Joanie hatte mir einst gesagt, dass Abe Gabriels Eltern e i ne provozierende Mischung ‹ gewesen waren: Sein Vater war ein israelischer Senator, der seine Laufbahn als Kaufmann in Tel Aviv begonnen hatte. Nach dem Krieg, 1948, war er, ein legendärer Held des israelischen Untergrunds, als Dozent an die israelische Universität in Tel Aviv berufen worden, ein Jahr später zum Verantwortlichen eines Rundfunkpr o gramms. Die Sendeleitung suchte nach einem neuen, unve r brauchten Mann für eine politische Sendung und war au f grund seiner Beziehungen im Krieg zu ihm gekommen; er wurde zu einer nationalen Berühmtheit: schlagfertig, aufg e schlossen, rhetorisch brillant. Als sich seine Kollegen von der Universität mit blasierter akademischer Überheblichkeit über seine doppelte Laufbahn lustig zu machen begannen, lud er sie in seine Sendung ein und machte sie auf gutmütige Weise fertig. Im Alter von siebenundfünfzig Jahren gab er die Sendung auf, nahm den neuen Lehrstuhl für Kommunik a tionswissenschaften an der Universität an und wurde Senator. Nach dem Sechstagekrieg war sein Bild in allen Zeitungen: er war ein großer, feister Mann, der stets lächelte, aber au s sah, als könnte er Kraft seines Willens einen Tankwagen e x plodieren lassen.
Aram Gabriels Frau Sarah war eine amerikanische Scha u spielerin von dem Typ, der alle drei oder vier Jahre › entdeckt ‹ wird, und dann, nach dem Abstieg zu B-Filmen , Western und Thrillern, erneut entdeckt wird. Bevor sie Aram Gabriel ke n nen lernte , hatte sie in einigen bedeutenden Filmen mitg e spielt, ihre Karriere befand sich gerade im dritten Au f schwung. Sie war fünfzehn Jahre jünger als er. Sie hatten sich in Israel bei den Dreharbeiten zu Lion kennen gelernt , einem Film über den jüdischen Unabhängigkeitskrieg. Zu der Zeit war sie wirklich eine Schönheit, dunkelhäutig, stark und a t traktiv gebaut, ein Gesicht, dem man ihre Intelligenz deutlich a nm erkte. Nach ihrer Hochzeit zog sie sich ganz aus dem Filmgeschäft zurück und widmete sich ihrem Sohn – und einer Reihe berühmter, aber diskreter Affären. Lion, der ein Jahr nach ihrer Hochzeit anlief, war sofort ein großer Erfolg, was teilweise auf die Publicity wegen Sarahs Rückzug aus der Branche zurückzuführen war. Nach zehn Jahren war der Film zu einem Klassiker geworden. Cahiers du Cinema widmete ihm ein Jahrzehnt nach der Uraufführung
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