Streiflichter aus Amerika
für unnatürlich. (Er hielt alles, was mehr als dreißig Dollar kostete, für unnatürlich.)
Ein wenig Erleichterung fand man einzig auf der Veranda mit den Fliegengittern. Bis in die Fünfziger hinein hatte fast jedes amerikanische Heim eine solche Veranda. Es handelt sich um eine Art Sommerzimmer an der Seite des Hauses mit Wänden aus feinem, aber robustem Maschendraht, der die Insekten draußen hält, und man hat das Vergnügen, gleichzeitig draußen und drinnen zu sein. Veranden sind wunderbar und werden in meinen Erinnerungen immer mit den Freuden des Sommers verbunden sein – Maiskolben mit Butter, Wassermelonen, dem nächtlichen Zirpen der Grillen, dem Geräusch, wie Mr. Piper, der Nachbar meiner Eltern, spätnachts von seinen Logentreffen heimkommt, sein Auto mit Hilfe der Mülltonnen parkt, Mrs. Piper zwei Strophen der »Rose von Sevilla« als Abendständchen darbringt und sich dann für ein Nickerchen auf dem Rasen bettet.
Als wir also in die Staaten zogen, wünschte ich mir nichts glühender als ein Haus mit einer fliegenvergitterten Veranda, und wir fanden es auch. Im Sommer wohne ich dort draußen. Ich schreibe auch diesen Text jetzt hier, betrachte den sonnenbeschienenen Garten, lausche dem Vogelzwitschern und dem Brummen eines nachbarlichen Rasenmähers, lasse mich von einer leichten Brise umfächeln und bin mopsfidel. Und nachdem wir heute abend hier gegessen haben (falls Mrs. B., die Gute, nicht wieder über eine Falte im Teppich stolpert), strecke ich mich aus, lausche den Grillen, beobachte das fröhliche Flimmern der Glühwürmchen und lese, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen. Ohne all das wäre der Sommer kein Sommer.
Kurz nach unserem Einzug bemerkte ich, daß über dem Boden eine Ecke des Fliegendrahts locker war. Weil unsere Katze die Öffnung aber als Katzentür benutzte und hereinkam, wann immer sie auf dem alten Sofa schlafen wollte, das wir hier draußen hingestellt haben, reparierte ich es nicht. Etwa einen Monat später hatte ich eines Abends ungewöhnlich lange gelesen und sah aus den Augenwinkeln heraus, daß die Miez hereinspazierte. Nur: Die Miez war schon da!
Ich schaute noch einmal hin. Und es war ein Stinktier! Ja mehr noch, das Stinktier befand sich zwischen mir und der einzigen Fluchtmöglichkeit. Es eilte schnurstracks zum Tisch, wo es vermutlich jede Nacht um diese Zeit hineilte und sich die Essensreste einverleibte, die zu Boden gefallen waren. (Es liegen immer jede Menge da, denn wenn Mrs. Bryson zum Telefon geht oder noch Bratensoße holt, spielen die Kinder und ich oft ein Spiel, das »Olympische Gemüsespiele« heißt.)
Von einem Stinktier besprüht zu werden ist so ungefähr das Schlimmste, was einem passieren kann, auch wenn man dabei nicht blutet oder ins Krankenhaus muß. Stinktierduft riecht von weitem gar nicht mal schlecht. Eher merkwürdig süß und anregend – nicht gerade verlockend, aber auch nicht ekelig. Jeder, der zum erstenmal ein Stinktier von weitem schnuppert, denkt: »Hm, ist doch halb so schlimm. Ich weiß gar nicht, warum immer so ein Trara darum gemacht wird.«
Aber wenn man näher kommt – oder noch gräßlicher, besprüht wird –, glauben Sie mir, dann dauert es lange, lange, bis man jemanden bittet, einen Schiebeblues mit einem zu tanzen. Der Duft ist nicht nur stark und unangenehm, sondern einfach nicht wieder wegzukriegen. Als wirksamstes Gegenmittel wird empfohlen, sich mit Tomatensaft abzuschrubben, aber selbst, wenn man das Zeug literweise verbraucht, kann man höchstens darauf hoffen, daß der Gestank ein wenig nachläßt.
In den Keller einer Schulfreundin meines Sohnes spazierte eines Nachts ein Stinktier. Es spritzte, und die Familie verlor praktisch ihren gesamten Hausrat – die Gardinen, das Bettzeug, Kleider, Polstermöbel. In einem Satz: Alles, was Gerüche absorbieren kann, mußte draußen im Garten verbrannt und das Haus selbst von oben bis unten gründlich geschrubbt werden. Obwohl die Schulkameradin meines Sohnes nicht einmal in die Nähe des Stinktiers gekommen war und sofort das Haus verlassen hatte, verbrachte sie das gesamte Wochenende damit, sich mit Tomatensaft abzubürsten. Doch erst nach Wochen ging jemand auf derselben Straßenseite wie sie. Wenn ich also sage, Sie wollen nicht von einem Stinktier besprüht werden, glauben Sie mir, dann wollen Sie auch wirklich nicht von einem Stinktier besprüht werden.
All das raste mir durch den Kopf, als ich, Mund und Nase aufgesperrt, dasaß und ungefähr ein Meter
Weitere Kostenlose Bücher