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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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nicht erst hingehörten, und in fast allen Fällen nicht angeschnallt waren. Airbags retten Tausende von Leben, doch viele Leute machen sie in dem bizarren Glauben unbrauchbar, daß sie eine Gefahr darstellen.
    Ebensowenig lassen sie sich von den Waffenunfallstatistiken beeindrucken. Vierzig Prozent der Amerikaner haben eine Schußwaffe im Haus, normalerweise in der Nachttischschublade neben dem Bett. Die Chancen, daß sie je eine dieser Knarren benutzen müssen, um einen Verbrecher zur Strecke zu bringen, stehen weit unter eins zu einer Million. Die Chancen, daß ein Familienmitglied damit erschossen wird – in der Regel ein Kind, das damit herumspielt –, sind mindestens zwanzigmal so groß. Doch über einhundert Millionen Menschen ignorieren diese Tatsache nach Kräften, ja drohen einem sogar, einen ihrerseits abzuknallen, wenn man nur darüber spricht.
    Nichts spiegelt allerdings die Irrationalität der Leute gegenüber Risiken besser wider als eines der lebhaftest diskutierten Themen der letzten Jahre: das passive Rauchen. Vor vier Jahren veröffentlichte die Umweltschutzbehörde einen Bericht, in dem festgestellt wurde, daß Menschen, die über fünfunddreißig sind und nicht rauchen, aber regelmäßig dem Rauch anderer ausgesetzt sind, die Chance von eins zu dreißigtausend haben, irgendwann an Lungenkrebs zu erkranken. Die Reaktion folgte auf dem Fuß und war heftig. Landauf, landab wurde an Arbeitsplätzen und in Restaurants, Einkaufszentren und anderen öffentlichen Gebäuden das Rauchen verboten.
    Dabei übersah man jedoch geflissentlich, wie mikroskopisch klein das Risiko des Passivrauchens tatsächlich ist. Eine Quote von eins zu dreißigtausend klingt ziemlich gravierend, aber so hoch ist sie nun auch wieder nicht. Wenn man ein Schweinekotelett in der Woche ißt, kriegt man statistisch gesehen eher Krebs, als wenn man regelmäßig in einem Raum voller Raucher sitzt. Desgleichen, wenn man alle sieben Tage eine Karotte, einmal alle zwei Wochen ein Glas Orangensaft oder alle zwei Jahre einen Salatkopf zu sich nimmt. Bei Ihrem Wellensittich holen Sie sich fünfmal eher Lungenkrebs als durch Passivrauchen.
    Ich bin ja ganz und gar dafür, daß man das Rauchen unterbindet, weil es schmutzig, eklig und ungesund für den Raucher ist und häßliche Brandflecken auf dem Teppich hinterläßt. Aber es mutet mich doch einen Hauch komisch an, wenn man es wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verbietet und gleichzeitig nichts dagegen hat, daß jeder x-beliebige Narr ein Schießeisen besitzt oder unangeschnallt in der Gegend herumkutschiert.
    Doch mit Logik hat das alles in den seltensten Fällen zu tun. Ich erinnere mich, wie ich vor ein paar Jahren im Auto meines Bruders saß und Zeuge wurde, wie er zuerst ausstieg und ein Lotterielos kaufte (Gewinnchancen: eins zu zwölf Millionen), und dann wieder einstieg und sich nicht anschnallte (Chancen, jährlich einen schweren Unfall zu haben: eins zu vierzig). Als ich ihn auf diese Widersprüchlichkeit hinwies, schaute er mich einen Moment lang an und sagte: »Und wie, meinst du, stehen die Chancen, daß ich dich sechs Kilometer, bevor wir zu Hause sind, an die Luft setze?« Seither behalte ich meine Gedanken für mich. Ist längst nicht so riskant.

    Ah, Sommer!

    Neulich erklärte mir ein Freund, daß es in Neuengland drei Jahreszeiten gibt. Entweder ist der Winter gerade vorbei, oder der Winter kommt, oder es ist Winter.
    Ich weiß, was er meinte. Die Sommer hier sind kurz – sie fangen am ersten Juni an und enden am letzten Augusttag, und den Rest der Zeit sollte man seine Wollhandschuhe besser nicht verlieren. Aber fast die gesamten drei Monate ist es schön warm, und es scheint auch fast immer die Sonne. Das beste ist, daß die Temperaturen im allgemeinen sehr angenehm bleiben. In Iowa, wo ich aufgewachsen bin, steigen Hitzegrade und Luftfeuchtigkeit kontinuierlich mit jedem Sommertag an, bis es Mitte August so heiß und stickig ist, daß sich selbst die Fliegen auf den Rücken legen und leise vor sich hin keuchen.
    Die Schwüle macht einen fertig. Wenn man im August in Iowa ins Freie geht, erlebt man binnen zwanzig Sekunden etwas, das man Schweißdrüseninkontinenz nennen könnte. Es wird so heiß, daß man in den Kaufhäusern Schaufensterpuppen mit Schwitzflecken unter den Armen sieht. Ich habe die Sommer in Iowa besonders deshalb in so lebhafter Erinnerung, weil mein Vater der letzte im Mittleren Westen war, der eine Klimaanlage kaufte. Er hielt sie

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