Streiflichter aus Amerika
ein Rätsel mit der Überschrift »Ihr kultureller IQ«.
Weil es mich interessierte, ob ich einen habe, machte ich mich daran, es zu lösen. Als allererstes wurde gefragt, in welchem Land es von schlechtem Geschmack zeuge, wenn man einen Menschen »Wo wohnen Sie?« fragt. Zu meiner Überraschung lautete die Antwort auf Seite 113 »England«.
»Engländer betrachten ihr Zuhause als Privatangelegenheit«, informierte mich die Zeitschrift pompös.
Mein Gott, ist mir das nun peinlich, wenn ich daran denke, wie oft ich in den vergangenen Jahren einen Engländer gefragt habe: »Und wo wohnen Sie, Clive?« (oder was immer, denn sie hießen ja nicht alle Clive). Ich habe ja nicht geahnt, daß ich einen ernsthaften gesellschaftlichen Fauxpas beging und daß Clive (oder wer auch immer) dachte: »Neugieriger Amidepp.« Also entschuldige ich mich nun bei allen Betroffenen, insbesondere bei Clive.
Ein paar Tage später stieß ich auf einen Artikel über britische Politik in der Washington Post , in dem ganz nebenbei und sehr hilfreich bemerkt wurde, daß Schottland »im Norden Englands« liegt. Dieses geografische Spezifikum, hatte ich immer angenommen, sei allgemein bekannt. Doch nun dämmerte mir, daß nicht ich ignorant war, sondern – war denn das die Möglichkeit? – meine gesamte Nation.
Neugierig geworden, hätte ich gern in Erfahrung gebracht, wie viel oder wenig meine Landsleute über das Vereinigte Königreich wußten. Aber das ist leichter gesagt als getan. Genausowenig, wie man auf einen Engländer zutreten und fragen kann: »Wo wohnen Sie?«, kann man hier einfach jemanden – auch nicht jemanden, den man recht gut kennt – fragen: »Haben Sie eine Ahnung, was der Schatzkanzler macht?« oder »Schottland liegt im Norden von England. Richtig oder falsch?«. Es wäre unhöflich und aufdringlich und womöglich peinlich für den Befragten.
Dann kam ich auf die Idee, daß ich mir vielleicht auf diskretere Weise einen Eindruck verschaffen könnte, wenn ich in die Stadtbücherei ginge und mir Reiseführer für Großbritannien anschaute. Darin würde stehen, was für Informationen Amerikaner haben wollen, bevor sie sich zu einem Besuch der Insel aufmachen.
Also zog ich los und warf einen Blick in die Reiseabteilung. Es gab vier Bücher ausschließlich über Großbritannien plus weitere acht bis zehn über Europa im allgemeinen und mit einzelnen Kapiteln über Großbritannien. Rick Steves' Europa 1996 wurde auf Anhieb zu meinem Lieblingswerk. Ich hatte von Rick noch nie gehört, aber laut Klappentext verbringt er mehrere Monate im Jahr damit, »die Fjorde zu erspüren und die Burgen zu liebkosen«, was mich schrecklich eifrig, wenn auch ein wenig sinnlos dünkt. Ich nahm die Bücher mit zu einem Tisch in einer Ecke und gab mich einen Nachmittag lang faszinierenden Studien hin.
Und bekam meine Antwort. Sie lautet: Wenn man diesen Büchern Glauben schenken darf, wissen Amerikaner so gut wie nichts über Großbritannien. Potentiellen Reisenden dorthin muß man offenbar erzählen, wie »Glasgow« ausgesprochen wird (»Es reimt sich nicht auf ›cow‹«), daß das Pfund Sterling in Schottland und Wales »ebenso bereitwillig akzeptiert wird wie in England«, daß das Land »gut ausgebildete Ärzte« und »alle neuesten Medikamente« hat, und ja, ja, daß Schottland im Norden Englands liegt. (Sogar ziemlich weit im Norden, also plane man besser einen ganzen Tag dafür ein.)
Augenscheinlich sind amerikanische Touristen ein recht hilfloser Menschenschlag. In den Büchern bekommen sie nicht nur verklikkert, was sie in Großbritannien erwartet – Regen und reetgedeckte Cottages –, sondern auch, wie sie ihre Taschen packen, zum Flughafen finden, selbst, wie sie durch den Zoll gehen sollen.
»Seien Sie freundlich und kooperativ, aber nicht zu gesprächig«, rät Joseph Raff, Autor von Fieldings Großbritannien 1998 , zum Umgang mit britischen Grenzbeamten. »Halten Sie Ihren Paß locker in der Hand – wedeln Sie dem Zöllner nicht damit unter der Nase herum!« Im Grunde geht es mich ja nichts an, aber mir scheint, wenn man Tips braucht, wie man seine Reisedokumente vorzeigt, ist man eventuell noch nicht ganz soweit, Ozeane zu überqueren.
Mein allerliebstes Lieblingsbuch indes war Die besten Reisetips für Europa von einem gewissen John Whitman. Es beschäftigt sich nicht nur mit Großbritannien, ist aber so gut, daß ich es fast von der ersten bis zur letzten Seite gelesen habe.
Es strotzt von ernsten Warnungen vor
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