Streiflichter aus Amerika
Verbrauch sind. Aber eins kann ich Ihnen sagen: Im letzten Jahr bin ich mehrere Wochen über den Appalachian Trail gewandert, einen Hunderte von Kilometer langen Weitwanderweg. Von dort, wo die Route durch den Shenandoah-Nationalpark in Virginia verläuft, konnte man, als ich Teenager war – was so lange nun auch wieder nicht her ist –, an klaren Tagen bis nach Washington, DC, sehen, einhundertundzwanzig Kilometer weit. Nun beträgt die Sichtweite selbst unter günstigsten Bedingungen nur noch die Hälfte. Bei Hitze und Smog schrumpft sie auf gerade mal drei Kilometer zusammen.
Die Appalachen sind eine der ältesten Gebirgsketten der Erde, und die Wälder, die sie bedecken, gehören zu den schönsten und artenreichsten. In einem einzigen Tal im Great-Smoky-Mountains-Nationalpark sind mehr Baumarten heimisch als in ganz Westeuropa. Aber viele dieser Bäume sind in Gefahr. Der Streß, mit dem sauren Regen und anderen Schadstoffen zurechtzukommen, macht sie wehrlos und anfällig für Krankheiten und Seuchen. Eichen, Hickory- und Ahornbäume sterben in beunruhigender Zahl. Der Blumenhartriegel, einer der schönsten Bäume im Süden der Vereinigten Staaten und einst einer der häufigsten, ist ebenso kurz vor dem Aussterben wie die amerikanische Hemlocktanne.
Und das kann nur der bescheidene Auftakt sein. Denn wenn die Temperaturen im nächsten halben Jahrhundert weltweit um vier Grad Celsius steigen, wovon manche Wissenschaftler überzeugt sind, dann sterben alle Bäume im Shenandoah-Nationalpark, den Smokies und in einem Umkreis von Hunderten von Kilometern. Innerhalb zweier Generationen wird sich eines der letzten großen Waldgebiete der gemäßigten Zonen in öde Steppe verwandeln.
Dafür lohnt es sich doch, ein paar Computer auszuschalten. Finden Sie nicht?
Einkaufswahn
Neulich bin ich mit meinem Jüngsten bei Toys R Us gewesen. Er war zu etwas Kohle gekommen und wollte sie dort ausgeben. (Gegen den Rat seines Bruders hatte er Anaconda-Copper-Aktien losgeschlagen, der Lausebengel.) Doch zunächst mal: Ist Toys
Us nicht der rätselhafteste Name, den Sie je gehört haben? Was bedeutet »Spielsachen sind wir«? Ich hab's nie verstanden. Wollen die Leute dort damit sagen, daß sie Spielzeug sind? Und warum schreibt man das R verkehrt herum? Etwa in der hoffnungsfrohen Erwartung, wir fänden den Laden deshalb um so toller? Und vor allem, warum gibt es in jedem Toys R Us siebenunddreißig Kassen, und immer nur eine ist besetzt?
Das sind wichtige Fragen, aber leider nicht unser heutiges Thema, jedenfalls nicht direkt. Nein, heute befinden wir uns am Beginn der lebhaftesten Einzelhandelswoche des Jahres, und unser Thema ist Einkaufen. Die Feststellung, Einkaufen sei ein elementarer Bestandteil des amerikanischen Lebens, ist so überflüssig wie die, daß Fische Wasser mögen.
Abgesehen von arbeiten, schlafen, fernsehen und Fettgewebe ansammeln, widmen sich die Menschen hier dem Einkaufen länger als irgendeinem anderem Zeitvertreib. Ja, nach Angaben des amerikanischen Tourismusverbandes ist das Einkaufen nun auch Nummer eins bei den Ferienaktivitäten der US-Bürger. Die Leute planen sogar ihren Urlaub um Shoppingtrips herum. Hunderttausende reisen jedes Jahr zu den Niagara-Fällen, nicht, wie allmählich ruchbar wird, um die Wasserfälle zu betrachten, sondern um durch die beiden Mega-Malls zu wandern. Und wenn sich die Baulöwen in Arizona durchsetzen, können Urlauber bald schon zum Grand Canyon reisen, ohne daß sie ihn sehen müssen. Denn es gibt Pläne – halten Sie sich fest! – am Beginn des Grand Canyon ein fast zweiundvierzigtausend Quadratmeter großes Einkaufsareal zu bauen.
Das Verkaufen und Kaufen ist heutzutage weniger ein Geschäft denn eine Wissenschaft. Es gibt mittlerweile sogar ein Studienfach namens Einzelhandelsanthropologie, dessen Vertreter genau sagen können, wo, wie und warum die Leute einkaufen, wie es heute üblich ist. Man hat erforscht, welcher Anteil Kunden sich beim Betreten eines Ladens zuerst nach rechts wendet (siebenundachtzig Prozent) und wie lange die Leute im Durchschnitt herumstöbern, bevor sie wieder hinausschlendern (zwei Minuten und sechsunddreißig Sekunden). Man weiß, wie man die Leute am besten in die profitträchtigsten magischen Tiefen des Ladens lockt (einen Bereich, der in der Branche als »Zone 4« bekannt ist) und welche Auslagen, Farbzusammenstellungen und Hintergrundmusik den nichtsahnenden neugierigen Kunden am wirksamsten hypnotisieren und in einen
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