Streiflichter aus Amerika
willenlosen Käufer verwandeln. Man weiß alles.
Aber nun kommt meine Frage. Warum kann ich dann trotzdem nicht in den USA einkaufen, ohne daß ich entweder in Tränen ausbrechen oder jemanden umbringen möchte? Denn trotz aller wissenschaftlichen Durchdringung macht das Einkaufen in diesem Land keinen Spaß mehr, wenn das überhaupt jemals so war.
Ein Großteil des Problems sind die Läden. Es gibt sie in drei Typen, alle gleich ekelhaft.
Zunächst einmal die Geschäfte, in denen man nie jemanden auftreiben kann, der einem hilft. Dann die, in denen man keine Hilfe will, aber von aufdringlichem, vermutlich auf Provisionsbasis arbeitendem Verkaufspersonal an den Rand des Wahnsinns getrieben wird. Schlußendlich gibt es die Läden, in denen die Antwort auf die
Frage, wo etwas zu finden ist, stets »Gang sieben« lautet. Ich weiß
nicht warum, aber so ist es.
»Wo ist die Damenunterwäscheabteilung?« fragt man.
»Gang sieben.«
»Wo ist das Tierfutter?«
»Gang sieben.«
»Wo ist Gang sechs?«
»Gang sieben.«
Am wenigsten mag ich den Typ Laden, in dem man die Verkäufer nicht los wird. Dabei handelt es sich meist um Kaufhäuser in großen Einkaufszentren. Die Verkäuferin ist immer eine weißhaarige Dame, die in der Abteilung Herrenbekleidung arbeitet.
»Kann ich Ihnen helfen?« fragt sie.
»Nein, danke schön, ich will mich nur umschauen«, antwortet man.
»Fein«, sagt sie und schenkt einem ein kriecherisches Lächeln. Ich mag Sie nicht, aber ich muß jeden anlächeln, bedeutet es.
Also wandert man durch die Abteilung und fummelt irgendwann an einem Pullover herum. Man weiß nicht, warum, denn er gefällt einem gar nicht, aber man fummelt trotzdem daran herum.
Sofort ist die Verkäuferin zur Stelle. »Der gehört zu unseren beliebtesten Modellen«, sagt sie. »Würden Sie ihn gern anprobieren?«
»Nein, danke schön.«
»Probieren Sie ihn ruhig an. Er ist wie für Sie gemacht.«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Die Umkleidekabinen sind gleich dort drüben.«
»Ich will ihn wirklich nicht anprobieren.«
»Was für eine Größe haben Sie?«
»Bitte, verstehen Sie mich doch, ich will ihn nicht anprobieren. Ich will mich nur umschauen.«
Sie schenkt einem wieder ein Lächeln – ihr Rückzugslächeln? –, aber dreißig Sekunden später ist sie erneut zur Stelle. Mit einem anderen Pullover und den Worten: »Wir haben ihn auch in pfirsichfarben.«
»Ich will den Pullover nicht. In keiner Farbe.«
»Wie war's dann mit einer hübschen Krawatte?«
»Ich will keine Krawatte. Ich will keinen Pullover. Ich will überhaupt nichts. Meine Frau läßt sich die Beine enthaaren und hat mir gesagt, ich soll hier auf sie warten. Ich wünschte, das hätte sie nicht gesagt, aber so ist es nun einmal. Es kann Stunden dauern, doch ich will trotzdem nichts. Also bitte stellen Sie mir keine weiteren Fragen. Bitte nicht.«
»Und wie steht's mit Ihren Hosen?«
Begreifen Sie, was ich meine? Tränen oder Mord – eine andere Alternative gibt's plötzlich nicht mehr. Die Ironie der Geschichte ist, daß weit und breit keiner in Sicht ist, wenn man wirklich Hilfe braucht.
Bei Toys R Us wollte mein Sohn einen intergalaktischen kosmischen Star-Troopers-Death-Blaster beziehungsweise ein ähnliches Plastikkriegsgerät erwerben. Wir konnten weder die Death Blaster finden noch jemanden, der uns gesagt hätte, wo sie waren. Der Laden schien in alleiniger Obhut eines sechzehnjährigen Knaben an der einzigen besetzten Kasse zu sein, vor der eine Schlange von etwa zwei Dutzend Leuten stand, die er sehr gemächlich und sehr methodisch abfertigte.
Geduldiges Anstehen gehört nicht zu meinen hochentwickelten sozialen Tugenden, besonders wenn ich nur warte, weil ich eine Information brauche. Die Schlange schob sich mit quälender Langsamkeit voran, und ich hätte den Jungen schon beinahe umgebracht, als er zehn Minuten brauchte, um eine Kassenrolle zu wechseln.
Doch endlich war ich dran. »Wo sind die intergalaktischen kosmischen Star-Troopers-Death-Blaster?« fragte ich.
»Gang sieben«, erwiderte er, ohne aufzuschauen.
Ich starrte auf seinen Kopf hinunter. »Treiben Sie keine Scherze mit mir!« warnte ich ihn.
Er schaute auf: »Wie bitte?«
»Solche Leute wie Sie sagen immer ›Gang sieben‹.«
Irgendwas muß in meinem Blick gewesen sein, denn seine Antwort kam als Winseln. »Aber, es ist wirklich Gang sieben -Gewalt- und Aggressionsspielzeug.«
»Na, wehe, wenn nicht«, drohte ich und zog ab.
Neunzig Minuten später
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