Streiflichter aus Amerika
lauter Aktivitäten, bei denen ich mir ernsthafte, bleibende Schäden zuziehen kann. Und ich habe das schreckliche Gefühl, daß heute der Tag ist.
Aber noch ist nichts passiert – wofür ich natürlich am alleraufrichtigsten dankbar bin.
Am Weihnachtsbaume die Lichter brennen
Es sind nur noch achtzehn kurze Tage bis zum Fest, und meine Frau kann jederzeit ins Zimmer treten und verkünden, daß es Zeit sei, den Weihnachtsschmuck hervorzuholen. Noch hat sie sich nicht gerührt, aber ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.
Ich hasse es, das Haus zu Weihnachten zu schmücken, weil es ja erstens bedeutet, daß ich auf den Dachboden krabbeln muß. Dachböden sind unangenehm schmutzige, dunkle Orte. Dort oben findet man immer Sachen, die man nicht finden will – ellenlange angeknabberte Stromkabel, Spalten zwischen den Dachpfannen, durch die man das Tageslicht sehen und bisweilen sogar den Kopf stecken kann, und kistenweise Sammelsurium, das man in einem Augenblick geistiger Umnachtung dort hochgehievt hat. Allein dreierlei Dinge kann man gewiß sein, wenn man sich hinaufwagt: daß man sich mindestens zweimal an einem Balken den Schädel aufschlägt, daß man das Gesicht voller Spinnweben kriegt und daß man nicht findet, was man sucht.
Doch der wahre Horror kommt, wenn man wieder hinunterklettern will. Dann stellt man nämlich fest, daß die Trittleiter mysteriöserweise einen Meter Richtung Badezimmertür gerückt ist. Man weiß ums Verrecken nicht, wie, aber so ist es immer.
Also schiebt man die Beine durch die Luke und angelt blind mit den Füßen nach der Leiter. Wenn man das rechte Bein so weit ausstreckt, wie es geht, kommt man soeben mit einem Zeh daran, was einem natürlich auch nicht viel nützt. Schließlich entdeckt man, daß man erst einen Fuß und dann womöglich beide Beine auf die oberste
Sprosse kriegt, wenn man sie wie ein Turner am Barren hin- und herschwingt. Das ist freilich kein entscheidender Durchbruch, denn man liegt nun in einem Winkel von etwa sechzig Grad und ist unfähig, irgendeinen weiteren Fortschritt zu erzielen. Leise in sich hineingrummelnd versucht man mit den Füßen die Leiter näher zu ziehen, erreicht indes nur, daß sie krachend umkippt.
Jetzt steckt man ernsthaft in der Klemme. Man versucht sich zappelnd zurück auf den Dachboden zu manövrieren, aber die Kräfte versagen. Also bleibt man an den Achselhöhlen hängen und ruft die Gattin zu Hilfe. Doch sie hört einen nicht. Das ist sowohl frustrierend als auch seltsam. Normalerweise hört sie Dinge, die sonst niemand hört. Zum Beispiel, daß zwei Zimmer weiter ein Klacks Marmelade auf den Teppich fällt oder man verschütteten Kaffee ganz stiekum mit einem guten Badehandtuch aufwischt oder Straßenschmutz auf einen sauberen Fußboden trägt. Ja, sie hört schon, wenn man nur an etwas denkt, das man nicht tun sollte. Hängt man jedoch in einer Dachluke fest, scheint sie urplötzlich in einer schalldichten Kammer verschwunden zu sein.
Wenn sie dann endlich mehr als eine Stunde später über den oberen Flur geht und einen da baumeln sieht, ist sie ganz verblüfft. »Was machst du denn da?« fragt sie nach einer Weile.
Man schielt zu ihr hinunter. »Dachlukenaerobic«, erwidert man einen winzigen Tick sarkastisch.
»Willst du die Leiter?«
»Mann, eine tolle Idee. Weißt du, ich hänge hier seit Ewigkeiten und versuche, darauf zu kommen, was mir fehlt, und du hast es auf Anhieb erkannt.«
Man hört, wie die Leiter zurechtgerückt wird, und spürt, wie die Füße die Sprossen hinuntergeleitet werden. Aber die Hängerei hat einem offensichtlich gutgetan, denn jäh erinnert man sich, daß der Weihnachtsschmuck gar nicht auf dem Dachboden ist – auch nie dort war –, sondern in einem Pappkarton im Keller. Natürlich! Wie dumm, daß man daran nicht gedacht hat. Und schon saust man los.
Zwei Stunden später findet man das Gesuchte hinter ein paar alten Autoreifen und einem kaputten Kinderwagen versteckt. Man hievt den Karton nach oben und widmet zwei weitere Stunden dem Auseinanderfutzeln von Lichterketten. Wenn man sie anschließt, funktionieren sie selbstverständlich nicht. Außer einer. Die schleudert einen in einem Funkenregen mit einem kräftigen Stoß rücklings gegen eine Wand und funktioniert dann auch nicht mehr.
Man beschließt, die Lichterkette sein zu lassen und den Baum aus der Garage zu holen. Der ist riesig und sticht. Man umklammert ihn unbeholfen, schleppt ihn brummend zur Hintertür, fällt
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