Streit Ist Auch Keine Loesung
Und deshalb erhalten Sie diesen Rat nicht nur in Beziehungsbüchern, sondern auch in den Ratgeberspalten von Zeitungen und Zeitschriften. Und da viele Paare schon solche Bücher oder die entsprechenden Tipps in Zeitschriften gelesen haben, halten eben auch viele Paare das klärende Gespräch für den besten Weg, sich nach einer mehr oder weniger heftigen Auseinandersetzung wieder anzunähern.
Ein klärendes Gespräch ist nicht immer die beste Lösung.
Ich bin ein großer Anhänger des Gesprächs. Des schönen Gesprächs über Lebenserfahrungen und die Schlüsse, die wir daraus gezogen haben. Des neugierigen Gesprächs über Lebensziele und Wünsche, die noch verwirklicht werden wollen. Des unterstützenden Gesprächs über den Tag und seine Widrigkeiten. Ja, und wenn es sein muss, auch des konfrontativen Gesprächs, bei dem Dinge ausgesprochen werden, die unbedingt auf den Tisch gehören. Aber ob ein klärendes Gespräch nach einem Streit immer die beste Lösung ist, daran habe ich große Zweifel. Und je länger ich mit Paarkonflikten zu tun habe, desto kritischer sehe ich die Ansicht, dass Paarkonflikte am besten durch klärende Gespräche beigelegt werden können. Denn klärende Gespräche zur Versöhnung funktionieren nur bei einer Minderheit der Paare.
Vielleicht gehören Sie und Ihr Partner ja zu denjenigen Paaren, bei denen solch ein Vorgehen zum Erfolg, sprich: zu einer besseren Stimmung führt. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Und dann haben Sie ein echtes Problem. Denn wenn allenthalben zum Gespräch als Lösung für einen Partnerschaftsstreit geraten wird und das bei Ihnen und Ihrer Liebe nicht funktioniert, dann könnten Sie durchaus auf die Idee kommen, dass es an Ihnen liegt. Oder an Ihrer Liebe. Vielleicht liegt es aber gar nicht an Ihnen und auch nicht an Ihrem Partner. Und schon gar nicht daran, dass mit Ihrer Liebe zueinander irgendetwas nicht stimmt. Vielleicht liegt es schlicht an dem Rat, den Sie bekommen haben.
Warum ein klärendes Gespräch oft nicht hilft
Menschen sind nicht annähernd so rational, wie viele Kommunikationsexperten und Beziehungstherapeuten sie gerne hätten.
Ein klärendes Gespräch entgleitet schneller, als heiße Milch überkocht. Gerade noch dachten Sie, Sie hätten alles im Griff, dann drehen Sie sich nur eben mal um, um dem Kind die Nase zu putzen, und – schwups – fängt es hinter Ihnen auf dem Herd an zu zischen und zu qualmen.
So ähnlich ist es oft auch bei einem klärenden Gespräch. Gerade noch dachten Sie: „Es geht doch!“, und schon befinden Sie sich wieder in einer heftigen Auseinandersetzung, bei der es im übertragenen Sinne nur so qualmt und zischt. Eine Auseinandersetzung also, bei der die unangenehmsten Worte fallen und alle Aussichten auf eine Annäherung in weite Ferne entschwinden. Sind beide Partner immer noch wütend und fühlen sich voll und ganz im Recht, dann ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass Sie den ersten Streit nur einfach wiederholen. Mit anderen Worten zwar, aber mit ebenso enttäuschenden Gefühlen.
Nach unserem Abstecher über die Biologie des Streits im ersten Kapitel wissen Sie ja, warum das so ist. Das Gespräch, das die Lage doch eigentlich verbessern sollte, führt die Gegner wieder mitten in ihren Streit zurück. Mit allen körperlichen Reaktionen: hohem Puls, Muskelanspannung und mangelnder Versorgung des Gehirns. Denken ist später.
Oft sind die Fronten für eine Streitlösung zu verhärtet.
Viele Paarkonflikte lassen sich überdies nicht eben mal einfach klären. Möglicherweise gehen die unterschiedlichen Ansichten der Streitenden auf deren – unterschiedliche – Charaktere zurück. Möglicherweise sind aber auch einfach die Standpunkte der Partner zurzeit noch viel zu weit auseinander. Da hilft auch das schönste Gespräch nichts. Oft sind die Fronten so verhärtet, dass eine Lösung auf diese Weise nicht zu erreichen ist. Jeder wiederholt monoton seinen Standpunkt, seine Sicht der Dinge,und hofft – vergeblich – auf ein Entgegenkommen des Partners. Der andere soll einsehen, dass er im Unrecht war. Und genau das tut er natürlich nicht. Menschen brauchen Zeit, um ihre Standpunkte zu überdenken und zu verändern.
Konflikte ruhen lassen
In vielen Fällen ist es nach meiner Erfahrung deshalb tatsächlich besser, etwas zu tun, was Kommunikationsexperten und Paartherapeuten in der Regel rundheraus ablehnen: den Konfliktzunächst einmal nicht zu klären, sondern ihn ruhen zu lassen und stattdessen etwas
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