Streng vertraulich Kommissar Morry
als ,Verfolgungswahn4 bezeichnete, nicht aufkommen zu lassen. Eines stand fest: irgend jemand war in der letzten Nacht um die Hütte geschlichen. Am nächsten Morgen hatte sie den Fußabdruck eines Schuhes gesehen — es schien sich um den Abdruck eines Sportschuhes zu handeln, aber da in dieser Wildnis auch Frauen Sportschuhe tragen mußten, war dieser Schluß nicht absolut zuverlässig.
Dinah war eine fanatische Anglerin; nur deshalb hatte der Vater die kleine Jagdhütte für sie errichten lassen. Aber so, wie die Dinge lagen, machte das Angeln keinen Spaß mehr. Morgen fahre ich zurück! sagte sie sich.
Von Memphis bis zur Jagdhütte brauchte sie immerhin gut zwei Stunden; der letzte Teil der Wegstrecke führte über schmale, holprige Zufahrtswege, die sich nach jedem Regenguß in unpassierbare Sümpfe verwandelten. Einige hundert Meter vor der Hütte setzte plötzlich der Motor aus. Dinah versuchte erneut zu starten, aber die Maschine sprang nicht wieder an.
Das hat mir gerade noch gefehlt! dachte sie und kletterte von ihrem Sitz ins Freie. Sie blickte unter die Motorhaube, aber ihre technischen Kenntnisse reichten nicht aus, um aus dem, was sie sah, irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Seufzend holte sie die zwei prall gefüllten Lebensmitteltüten aus dem Wagen und machte sich zu Fuß auf den Weg. Sie war bis auf etwa fünfzig Meter an die Hütte herangekommen, als sie plötzlich ein Geräusch hörte, das sie zutiefst erschreckte. Irgend jemand machte sich an der Hütte zu schaffen! Sie hatte deutlich das Hämmern von Fäusten gehört.
Langsam ging sie weiter. Die Bäume lichteten sich und sie sah durch das Geäst ein knallrotes Hemd schimmern.
Dinah ging es wie den meisten Menschen: sie fürchtete sich nur vor dem Unheimlichen, vor den Dingen, die man nicht sehen oder greifen konnte.
Ein menschliches Wesen, das konkrete Gestalt hatte, vermochte ihr keine Angst einzuflößen. Mit raschen Schritten ging sie auf die Hütte zu.
Her Mann im roten Hemd stand auf der Veranda. Er war jung und breitschultrig — ein wahrer Hüne. Als er sie sah', kam er die Treppe von der Veranda herab und sagte: „Da sind Sie ja.“
Dinah stieg die Röte ins Gesicht. „Was wollen Sie, he?“ fragte sie.
„Ich wollte zu Ihnen.“
„Wer sind Sie?“
„Mein Name ist Dick Brown — ich bin Ihr Nachbar.“
„Mein Nachbar?“
„Naja — meine Hütte liegt zwei Meilen von hier unmittelbar am Flußufer.“
„Wo?“
„Da, in südlicher Richtung.“
„Von dort komme ich“, sagte Dinah. „Ich habe noch niemals eine Hütte in dieser Gegend bemerkt.“
„Von der Straße aus ist sie nicht zu sehen“, sagte der Mann, der sich Dick Brown nannte.
Dick Brown! dachte Dinah verbittert. Ebenso gut hätte er sich Miller oder Smith nennen können!
„So — Sie wollten also zu mir“, meinte sie. „Hatten Sie die Absicht, mir einen gutbürgerlichen Besuch abzustatten?“ Der Spott in ihrer Stimme war unüberhörbar.
Dick Brown schien das entweder nicht zu spüren, oder es machte ihm nichts aus. Er verschränkte lächelnd die Arme vor der Brust und sah Dimah an. „Wenn ich gewußt hätte —Er unterbrach sich plötzlich unid schwieg. Dann sagte er: „Die Wahrheit ist, daß mir die Büchse mit den Ködern in den Fluß gefallen ist. Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir mit einigen Ersatzködern aushelfen könnten.“
„Woher wissen Sie, daß ich hier wohne? Daß ich gerade jetzt hier bin?“
„Ich bin gestern Nachmittag mit dem Boot vorbeigekommen“, erwiderte Brown. „Ich sah die Gummistiefel auf der Veranda, und den Badeanzug auf der Brüstung. Außerdem waren die Fensterläden geöffnet.“
Brown sprach ruhig und selbstsicher. Er machte den Eindruck 'eines Mannse, der die Wahrheit äußert — aber Dinahs Mißtrauen war keineswegs schon besiegt. Sie mußte allerdings zugeben, daß der Besucher nicht wie ein Gangster aussah. Im Gegenteil.
Dick Brown hatte ein sympathisches, offenes Gesicht. Es schien so, als säßen in seinen winzigen Augenfältchen Humor und Spottlust. Er war dunkelblond, helläugig und tief gebräunt. Die Farbe seiner Augen schwankte zwischen Grau und Blau. Das harte, energische Kinn verriet Willensstärke.
„Wohnen Sie in der Hütte am Fluß?“ fragte Dinah.
„Nein — ich komme nur im Urlaub her.“
„Die Hütte ist Ihr Eigentum?“
„Ja.“
„Darf man fragen, welchen Beruf Sie ausüben?“ „Das ist kein Geheimnis. Ich bin Detektiv.“ Dinah wußte nicht, ob sie über diese Eröffnung
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