Streng vertraulich Kommissar Morry
anscheinend stammte er aus der Provinz und schien zu befürchten, daß ihn zufällig ein Bekannter sah. Lee wartete einige Minuten. Dann warf er die Zigarette weg und trat sie aus. Er trat aus dem Schatten des dunklen Eingangs und überquerte die Straße. Die Hotelhalle erschien ihm diesmal noch trister, verstaubter und erneuerungsbedürftiger als bei seinem ersten Besuch. Der Portier blickte ihm mit einem jähen Erschrecken entgegen, hatte sich aber rasch wieder in der Gewalt.
„Guten Abend“, sagte Lee und lehnte einen Ellbogen auf den Tresen der Rezeption. „Sie kennen mich?“
„Ja — haben Sie nicht vor einigen Tagen mit Ihrer Gattin hier übernachtet?“
„Sie haben ein gutes Gedächtnis!“ lobte Lee spöttisch. „Wie Sie sich erinnern werden, mußte sie mitten in der Nacht plötzlich zum Arzt.“
„Ach ja, richtig! Ich hoffe, der werten Gattin geht es inzwischen besser?“
„Superb“, sagte Lee. „Sie hat inzwischen einen anderen gefunden.“
„Aeh — wie bitte?“
„Einen anderen Mann“, meinte Lee und richtete sich auf. „Überrascht Sie das so sehr?“ „Verzeihen Sie bitte, Sir — es ist nicht meine Art, fremde Eheprobleme zu kommentieren.“
„O — es war kein Eheproblem. Kann ich übrigens ein Zimmer haben?“
„Bedaure, Sir. Das Hotel ist ausgebucht.“
„Was Sie nicht sagen! Auch das Zimmer, das ich neulich hatte?“
„Ja, auch das.“
„Ein Jammer!“
Der Portier hob bedauernd die Schultern und ließ sie wieder sinken. „New York ist eine Konferenzstadt — es vergeht kaum eine Nacht, wo wir nicht alle Zimmer besetzt haben.“
„Da hatte ich wohl neulich ausgesprochenes Glück, was?“ erkundigte Lee sich spöttisch.
„Glück? Ja, so könnte man es formulieren — denn Sie kamen doch ziemlich spät, nicht wahr?“
„Das ist richtig.“
Das Telefon klingelte und der Portier nahm den Hörer ab. Er warf beim Sprechen einen kurzen, schwer definierbaren Blick auf Lee und sagte dann: „Sehr wohl — wird erledigt. Eine Flasche Champagner — ich sorge dafür, daß sie sofort hochgeschickt wird.“
Er legte auf.
„Zimmer elf?“ fragte Lee wie beiläufig.
„Wie bitte?“ stammelte der Portier. „Ja, das stimmt zufällig.“
Lee grinse. „Zufällig?“
„Was wollen Sie eigentlich?“
„Das wissen Sie doch ganz genau! Ich will mein Geld wiederhaben.“
„Ihr Geld? Wie meinen Sie das?“
„Die süße kleine Patricia, die sich Patsy nennt, hat mich um fünftausend Dollar erleichtert. Ich will mir mein Geld wieder abholen. Wenn Sie Schwierigkeiten machen, landen Sie zusammen mit dem Mädchen im Gefängnis.“
Der Portier schluckte. „Das ist unerhört! Ich bin zwar verpflichtet, unseren Gästen höflich und entgegenkommend gegenüberzutreten, aber niemand kann von mir verlangen, daß ich mich in dieser Weise beleidigen lasse.“
„Das haben Sie hübsch gesagt. So — und jetzt folgen Sie mir in das Zimmer Nummer elf!“
Der Portier öffnete rasch eine Schublade und wollte hineingreifen, aber Lee kam ihm zuvor. Krachend ließ er seine Faust auf dem spitzen Kinn des Portiers landen. Der stolperte benommen bis an die Wand zurück. Lee schwang sich über den Rezeptionstresen. Der Portier riß sich zusammen und versuchte, einen Tief schlag anzubringen. Lee wich aus, aber das Manöver glückte ihm nicht völlig, und er spürte den reißenden Schmerz den die Aktion seines Gegners in ihm auslöste.
Ein wilder Haß übermannte Lee. Er trommelte den Portier förmlich zusammen — es war, als wäre er auf einmal eine Boxmaschine, der nichts widerstehen konnte. Der Portier klappte zusammen und Lee blieb schweratmend und mit hängenden Schultern stehen. Dann schaute er in die Schublade, die der Portier geöffnet hatte und fand seine Erwartungen bestätigt. Eine Pistole lag darin. Lee nahm die Waffe an sich und ließ sie in seine Jackettasche gleiten.
Dann wartete er, bis der Portier wieder zu sich kam.
„Stehen Sie auf!“ befahl er.
Der Portier erhob sich. Er mußte sich gegen die Wand lehnen.
„Sie sehen nicht gerade gut aus“, meinte Lee spöttisch und zog seine verrutschte Krawatte zurecht. „Wie fühlen Sie sich?“
Der Portier gab keine Antwort. In seinen Augen lag ein Ausdruck von Furcht und Haß.
„Wissen Sie, was ich tun werde?“ fragte Lee. „Ich werde mir erlauben, den Herrschaften in Zimmer elf den Champagner zu kredenzen — ist das nicht ein hübscher Gedanke?“
Der Portier schwieg noch immer. Er atmete schwer.
„Los, gehen Sie
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