Streng vertraulich
ist noch nicht gebaut worden. Wir wurden erst bemerkt, als wir uns der Sitzgruppe näherten. Jim wollte aufstehen, doch ich hob die Hand, so daß er weiterrutschte, um mir Platz zu machen. Wenn Hunde und Ehefrauen doch nur so zuvorkommend und pflegeleicht wären wie Abgeordnete.
Ich stellte vor: »Jim, du kennst Angie. Senator Mulkern, das ist meine Kollegin Angela Gennaro.«
Angie hielt ihm die Hand hin. »Sehr erfreut, Senator.«
Mulkern ergriff die Hand, küßte den Handrücken und rutschte ebenfalls zur Seite, ihre Hand in seiner haltend. »Ganz meinerseits, Ms. Gennaro.« Aalglatt, der Bursche. Angie nahm neben ihm Platz, und er ließ ihre Hand los. Er sah mich mit erhobenen Augenbrauen an. »Kollegin?« gluckste er.
Jim gluckste mit.
Mir war es ein schwaches Lächeln wert. Ich setzte mich neben Jim. »Wo ist Senator Paulson?« fragte ich.
Mulkern lächelte Angie an. Er antwortete: »Konnte ihn heute nachmittag leider nicht von seinem Schreibtisch loseisen.«
»An einem Samstag?« staunte ich.
Mulkern trank einen Schluck. »Erzählen Sie mal«, wandte er sich an Angie, »wo hat Pat Sie eigentlich die ganze Zeit versteckt?«
Angie lachte ihn breit an: »In einer Kiste.«
»Wirklich?« entgegnete Mulkern. Er trank noch etwas. »Oh, sie gefällt mir, Pat. Ehrlich.«
»Das ist meistens so, Senator.«
Unser Kellner kam an den Tisch, nahm unsere Bestellungen entgegen und entfernte sich lautlos auf dem dicken Teppich. Mulkern hatte etwas von Mittagessen gesagt, aber es standen nur Gläser auf dem Tisch. Vielleicht hatten sie eine Methode entwickelt, das Essen zu verflüssigen.
Jim legte mir eine Hand auf die Schulter: »Du hattest gestern einen ganz schönen Tag, was?«
Sterling Mulkern hielt die Morgenausgabe der Trib hoch. »Jetzt bist du ein Held wie dein Vater, Junge.« Er klopfte auf die Zeitung: »Schon gelesen?«
»Ich lese nur Calvin und Hobbes«, entgegnete ich.
Er bemerkte: »Tja, eigentlich… eine gute Presse, echt. Gut fürs Geschäft.«
»Aber nicht für Jenna Angeline.«
Mulkern zuckte mit den Achseln. »Die mit dem Schwert leben…«
»Sie war eine Putzfrau«, warf ich ein. »Das Gefährlichste, mit dem sie je zu tun hatte, war ein Brieföffner, Senator.«
Er zuckte erneut mit den Achseln, und ich erkannte, daß er seine Einstellung nicht ändern wollte. Menschen wie Mulkern haben sich daran gewöhnt, sich ihre Tatsachen eigenhändig zurechtzuzimmern und dann erst den Rest der Welt hereinzulassen.
»Patrick und ich waren uns nicht sicher«, begann Angie, »ob der Tod von Ms. Angeline bedeutet, daß unsere Arbeit für Sie erledigt ist.«
»Ganz und gar nicht, meine Liebe«, antwortete er. »Ganz und gar nicht. Ich habe Pat engagiert, und auch Sie, damit ihr gewisse Dokumente findet. Sofern ihr sie heute nicht mitgebracht habt, arbeitet ihr noch für mich.«
Angie lächelte. »Patrick und ich arbeiten nur für uns, Senator.«
Jim sah erst mich, dann seinen Drink an. Mulkerns Gesicht erstarrte kurz, dann hob er belustigt die Augenbrauen. »Und warum genau habe ich dann einen Scheck auf eure Agentur ausgestellt?«
Angie war nie um eine Antwort verlegen: »Nutzungsgebühren für die Bereitstellung unseres Fachwissens, Senator.« Sie sah dem herannahenden Kellner entgegen. »Ah, die Getränke. Vielen Dank.«
Ich hätte sie küssen können.
Mulkern fragte: »Siehst du das genauso, Pat?«
»Eigentlich schon«, antwortete ich und nippte an meinem Bier.
»Ach, Pat«, lehnte sich Mulkern zurück, er schien auf irgend etwas hinauszuwollen, »redet sie immer für dich, wenn ihr zusammen auftretet? Und den Rest erledigt sie auch, nehme ich an?«
Angie schaltete sich ein: »Sie mag es nicht, wenn von ihr in der dritten Person gesprochen wird, solange sie sich im Zimmer befindet, Senator.«
Ich fragte: »Wieviel haben Sie schon getrunken, Senator?«
Jim sagte: »Bitte!« und hob die Hände.
Hätten wir uns in einem Saloon im Wilden Westen aufgehalten, wäre er inzwischen leer gewesen, das laute Kratzen und Poltern von fünfzig hastig weggeschobenen Stühlen hätte den Raum erfüllt. Aber wir waren an einem Samstag nachmittag in einer schicken Bar in Boston, und Mulkern sah nicht so aus, als stände ihm ein Trommelrevolver. Zuviel Bauch. Aber andererseits war ein Pistole in Boston nicht viel wert gegen eine Unterschrift an der richtigen Stelle, gegen eine geschickte Verleumdung, die im richtigen Moment lanciert wurde.
Mulkerns schwarze Augen starrten mich unter schweren Augenlidern an, wie ein Schlange, deren Höhle
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