Streng vertraulich
dabei.«
Angie gab zu bedenken: »Aber früher oder später…«
Devin nickte. »Irgendwas wird passieren. Roland haßt seinen Alten bis aufs Blut. Warum, weiß keiner so genau. Obwohl er jetzt allen Grund dazu hätte, wo Jenna umgebracht wurde, oder?«
»Standen sich die beiden nahe?« fragte ich.
Devin zuckte mit den Achseln und hielt die Hände hoch. »Weiß ich nicht. Als er im Jugendknast in Wildwood saß, hat sie ihn oft besucht, und angeblich ist er hin und wieder bei ihr vorbeigekommen und hat ihr ein bißchen Geld zugesteckt. Aber das ist schwer zu sagen - Roland hat ungefähr genausoviel Liebe in sich wie sein Vater.«
»Super«, bemerkte ich, »zwei gefühllose Maschinen.«
»Ach, sie haben schon Gefühle«, erwiderte Devin, »aber leider nur Haß.« Er sah die Kellnerin an. »Noch einen Kaffee.«
Wir saßen im Dunkin’ Donuts auf der Morton Street. Draußen vorm Fenster reichten ein paar Männer eine Flasche in einer braunen Papiertüte herum, tranken in den Tag hinein. Auf der anderen Straßenseite lungerten vier kleine Ganoven herum, riskierten hier und da einen Blick, zwischendurch schlug einer mit der Faust auf die eines anderen. Sie waren voller Haß und Schmerz und jederzeit bereit, Feuer zu fangen, es bedurfte lediglich eines Funkens. Am Ende des Häuserblocks schob ein junges Mädchen ihren Kinderwagen vom Bürgersteig herunter und überquerte mit gesenktem Kopf die Straße in der Hoffnung, daß sie nicht bemerkt werden würde.
Devin fing wieder an: »Wißt ihr, das mit Jenna ist wirklich traurig. Es ist so ungerecht, daß eine Frau wie sie mit zwei knallharten Killern wie Socia und Roland geschlagen ist. Mann, das Schlimmste, was die Frau je gemacht hat, war, sich einen Haufen Knöllchen einzuhandeln. Und wer tut das nicht in dieser Stadt?« Er tunkte seinen zweiten Doughnut in die dritte Tasse Kaffee, und seine Stimme war so eintönig wie eine Klaviertaste, die immer wieder angeschlagen wird. »Echt Scheiße.« Er sah uns an. »Letzte Nacht haben wir ihr Bankschließfach aufgemacht.«
Ich fragte ganz langsam: »Und?«
»Nichts«, erwiderte er und blickte mich an. »Staatsanleihen und ein bißchen Schmuck, der noch nicht mal die Mietgebühr für das Fach wert war.«
Draußen gab es einen gedämpften Knall, und das Innere des Doughnut-Ladens vibrierte. Ich sah aus dem Fenster und erblickte die kleinen Ganoven. Einer von ihnen starrte durch die Scheibe, die Adern an seinem Hals traten hervor, sein Gesicht war eine vom Haß verzerrte Fratze. Er bemerkte uns und schlug wieder mit der Hand gegen die Fensterscheibe. Einige Gäste zuckten zusammen, doch das Glas brach nicht. Seine Freunde lachten, er nicht. Er hatte rote Augen, die vor Zorn glühten. Noch einmal schlug er gegen das Fenster, noch einmal zuckten einige zusammen, dann zogen ihn seine Freunde weiter. Als er die Straßenecke erreicht hatte, lachte er schon wieder. Nette Welt.
Ich fragte nach: »Es weiß also keiner, warum es Roland auf Socia abgesehen hat?«
»Könnte alles sein. Du hast deinen Alten auch nicht gerade innig geliebt, Kenzie, oder?«
Ich schüttelte den Kopf.
Er zeigte auf Angie: »Und du?«
»Ich bin mit meinem Vater ganz gut klargekommen. Wenn er mal da war. Mit meiner Mutter war das schon anders.«
»Ich habe meinen Alten gehaßt«, fügte Devin hinzu. »Wir führten jeden Augenblick, in dem wir uns sahen, den großen Freitagabendstreit. Ich mußte mir in meiner Jugend so viel von ihm gefallen lassen, daß ich geschworen habe, mir für den Rest des Lebens von niemandem mehr etwas gefallen zu lassen, auch wenn mir das vielleicht kein langes Leben beschert. Vielleicht ist Roland genauso. Sein Jugendstrafenregister ist eine endlos lange Liste, immer wieder hat er sich mit Autoritätspersonen angelegt. Das fing schon in der fünften Klasse an, wo er einem Vertretungslehrer ein Loch in den Kopf gehauen hat. Und ihm ein Stück Ohr abgebissen.«
Fünfte Klasse. Du meine Güte.
Devin fuhr fort: »Hat es natürlich auch mit einer Reihe von Sozialarbeitern verbockt, ganz zu schweigen von den anderen Lehrern. Hat einen Bullen mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe seines Streifenwagens getreten, als der ihn in den Jugendknast bringen wollte. Hat einem Notarzt die Nase gebrochen, und da hatte er gerade eine Kugel neben der Wirbelsäule stecken. Wenn man es sich überlegt, hat Roland nur Männer angegriffen. Mit weiblichen Autoritätspersonen kommt er zwar auch nicht zurecht, aber da wird er nicht aggressiv, sondern haut einfach
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