Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
im Zimmer stand ein zerkratzter Tisch mit einem Telefon und einem Kassettenrecorder drauf. Wir setzten uns an eine Seite des Tisches, Devin nahm rechts von mir Platz, neben dem Telefon, und Oscar plazierte sich links von Angie neben dem Kassettenrecorder. Devin zündete sich eine Zigarette an, und Oscar betätigte den Kassettenrecorder. Eine Stimme sagte: »Aufnahme kopiert am sechsten August 1993. Registriert unter Strichcode Nummer 5756798. Asservatenkammer, Polizeizentrale Boston, Neuntes Revier, 154 Berkeley Street.«
Devin befahl: »Stell es ein bißchen lauter!«
Oscar gehorchte, und fünfzehn oder zwanzig Sekunden lang war nichts zu hören, dann ein verhaltenes Dröhnen und Geräusche von Metall auf Metall, als ob eine Abendgesellschaft von zehn Leuten gleichzeitig Messer und Gabel aneinanderwetzt. Irgendwo tropfte Wasser. Eine Stimme sagte: »Schneid ihn noch mal.«
Devin sah mich an.
Die Stimme hörte sich an wie die von Socia.
Eine andere Stimme: »Wo?«
Socia: »Mir doch scheißegal. Laß dir was einfallen. Das Knie sieht empfindlich aus.«
Einen Moment lang war nur das Tropfen von Wasser zu vernehmen, dann schrie jemand lang, laut und schrill.
Socia lachte. »Als nächstes sind deine Augen dran, Erzähl’s mir also besser, dann ist es vorbei.«
Die andere Stimme: »Bring’s hinter dich. Er macht keinen Spaß, Anton.«
»Ich mache keinen Spaß, Anton. Das weißt du.«
Ein leises, keuchendes Geräusch. Weinen.
Socia: »Aus dem Auge da kommt zuviel Wasser. Hol es raus!«
Ich richtete mich auf meinem Stuhl auf.
Die andere Stimme fragte: »Was?«
Socia: »Spreche ich undeutlich? Hol es raus!«
Es gab ein weiches, unangenehmes Geräusch, als trete man mit dem Schuh in den Matsch.
Dann der Schrei. Unglaublich hoch, eine Mischung aus unerträglichem Schmerz und entsetztem Unglauben.
Socia: »Es liegt vor dir auf dem Boden, Anton. Sag mir den Namen, verdammt. Wer hat dich auf mich angesetzt?«
Der Schrei war noch nicht verklungen. Er war noch immer klar und intensiv und ließ nicht nach.
»Wer hat dich auf mich angesetzt? Hör auf zu schreien!«
Ein harter Ton von Fleisch auf Fleisch. Der Schrei wurde noch ein bißchen lauter.
»Wer hat dich auf mich angesetzt, verdammt noch mal?«
Jetzt wurde das Schreien trotzig, ein wütendes Geheul.
»Wer hat dich… Verdammte Scheiße. Reiß das andere auch raus. Nein, nicht damit. Hol dir einen verdammten Löffel dafür, Mann.«
Es waren ein paar leise Schritte zu hören, es quietschte ein bißchen, als sie sich von dem Ort entfernten, an dem sich das Mikro befand.
Das Schreien war zu einem Wimmern geworden.
Socia flüsterte sanft: »Wer hat dich auf mich angesetzt, Anton? Es ist schnell vorbei, wenn du es mir sagst.«
Das Wimmern brachte etwas Unverständliches hervor.
Socia sagte: »Versprochen. Es ist alles vorbei, wenn du es mir sagst. Du stirbst schnell und schmerzlos.«
Ein zerrissenes Schluchzen, rauhes Atmen, Keuchen, anhaltendes Wimmern, über eine Minute lang.
»Los, komm jetzt! Sag es mir!«
Zwischen dem Schluchzen war zu hören: »Na. Na ich…«
»Gib mir den verfluchten Löffel!«
»Devin. Der Bulle! Devin!« Es klang, als seien die Worte durch ein in den Körper gebohrtes Loch herausgedrückt worden.
Devin langte herüber und stellte den Kassettenrecorder ab. Ich merkte, daß ich regungslos auf dem Stuhl saß, halb weggetreten. Ich sah Angie an. Sie hatte eine weiße Gesichtsfarbe, die Fäuste drückte sie auf die Armlehnen.
Oscar sah gelangweilt drein, starrte an die Decke. Er erklärte: »Anton Meriweather. Sechzehn Jahre alt. Devin und ich haben ihn im Dezember angeworben, er hat uns Informationen über Socia geliefert. Er war Soldat bei den Saints. Ach ja, er ist tot.«
Ich fragte: »Ihr habt doch dieses Band. Warum läuft Socia noch frei herum?«
Devin erwiderte: »Hast du schon mal eine Jury gesehen, die jemanden aufgrund einer identifizierten Stimme verurteilt? Schon mal gesehen, wie viele Leute ein Strafverteidiger zusammentrommelt, die sich genauso anhören wie der Typ auf dem Band? Hast du gehört, daß Socia beim Namen genannt wurde?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich will euch nur zeigen, mit wem ihr es hier zu tun habt, Leute. Nachdem Anton meinen Namen verraten hatte, wurde er noch neunzig Minuten lang bearbeitet. Eineinhalb Stunden. Ganz schön lange, wenn einem das Auge rausgerissen wurde. Als wir ihn drei Tage später fanden, konnte ich ihn nicht erkennen. Seine Mutter auch nicht. Wir mußten einen Gebißabdruck machen, um sicherzugehen, daß

Weitere Kostenlose Bücher