Streng vertraulich
Besseres zu tun, deshalb sahen wir ihm zu. »John? Hier ist Devin Amronklin… Ja, ich habe alle Hände voll zu tun… Hm?… Ja, ich denke, da kommen noch welche dazu. Noch ‘ne ganze Menge… Hör mal, John… Ich muß dich was fragen. Sind heute irgendwelche Politiker da?« Er lauschte. »Ja klar, der Gouverneur. Was soll er auch machen? Und… ja, ja. Aber was ist mit diesem Gesetz, das heute… Ähem… Und wer war das?… Klar, laß dir Zeit.« Er ließ den Hörer auf die Schulter sinken und trommelte weiter mit den Fingern. Dann hielt er ihn wieder ans Ohr. »Ja, ich höre… Okay, John. Vielen Dank…. Nein, eigentlich nichts. Wollte ich nur wissen. Danke noch mal.« Er sah uns drei an. »Am Freitag wurde ein Antrag gestellt, daß alle ein langes Wochenende haben sollten wie der Rest der Bevölkerung.« ,»Und von wem kam er?« wollte Angie wissen.
Devin tippte auf das Foto. »Ein Senator Brian Paulson«, erwiderte er. »Sagt euch der Name was?«
Ich starrte ihn an.
»Hier sind keine Kameras oder Mikrofone in der Wand«, bemerkte er.
Ich warf einen Blick auf das Bild. »Ich kann die Namen meiner Klienten nicht preisgeben.«
Devin nickte. Oscar lächelte. Das gefiel ihnen. Ich hatte ihnen gerade genau das verraten, was sie wissen wollten. Devin fragte: »Das ist eine Riesensache, oder?«
Ich zuckte mit den Achseln. Noch eine Bestätigung.
Devin sah Oscar an. »Hast du noch Fragen?«
Oscar schüttelte den Kopf. Seine Augen glänzten.
Devin schlug vor: »Komm, wir bringen die beiden nach unten. Was halten Sie davon, Detective Lee?«
Als wir aus dem Hinterausgang traten, beauftragte Oscar den jungen Bullen, sich eine Tasse Kaffee zu holen. Er schüttelte erst Angie, dann mir die Hand. »Je nachdem, was das hier für Kreise zieht, kann es uns diesmal unsere Jobs kosten.«
»Ich weiß«, antwortete ich.
Devin sah sich die Rückfront des Gebäudes an. »Das Scheißrathaus ist eine Sache, das State House ist ganz was anderes.«
Ich nickte.
Oscar sagte: »Vine«, und blickte Devin an.
Devin seufzte. »Hör auf!«
Angie fragte: »Vine?«
Oscar erklärte: »Chris Vine. War früher Bulle bei der Sitte. Behauptete, er hätte was gegen einen Senator vorliegen, sollte sogar noch viel höher gehen.«
Ich fragte: »Was ist passiert?«
Devin antwortete: »In seinem Spind wurden zwei Kilo Heroin gefunden.«
»Plus eine Kiste Spritzen«, ergänzte Oscar.
Devin nickte. »Ein paar Wochen später hat sich Vine die Knarre in den Mund gesteckt.«
Oscar warf Devin noch einen Blick zu. In ihren Augen war etwas Fremdes. Vielleicht Angst. Oscar mahnte: »Seid vorsichtig, ihr beiden. Wir melden uns.«
»Einverstanden.«
Devin schlug vor: »Wenn du noch immer gute Verbindungen zu Richie Colgan hast, würde ich sagen, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, die spielen zu lassen.«
»Noch nicht ganz.«
Oscar und Devin sahen sich noch einmal an und atmeten beide laut aus. Oscar blickte zum Himmel hoch. »Jetzt kann jeden Tag ein richtiger Scheißsturm losbrechen.«
»Und wir vier haben keine Regenschirme«, kommentierte Angie.
Wir mußten alle zaghaft drüber lachen. Aber nur kurz. Ein Lachen am offenen Grab.
24_____
Wir fuhren über die Boylston Street zur Arlington Street und um den Block herum zum Greyhoundbahnhof. Dort kämpften wir uns durch ein teilnahmsloses Meer von Nutten, Zuhältern, Ganoven und aussortierten Todeskandidaten, bis wir die dunkelgrüne Metallwand mit den Schließfächern fanden. Nummer 506 war in der obersten Reihe, ich mußte mich ein bißchen strecken, um den Schlüssel auszuprobieren.
Er paßte nicht. Eins weniger.
Wir versuchten es bei ein paar kleineren Schließfächern. Fehlanzeige.
Dann fuhren wir zum Flughafen. Logan Airport besitzt fünf Terminals, die die Buchstaben A bis E tragen. Auf A gab es keine Nummer 506. Auf B gab es keine Schließfächer. C hatte keine 506 bei den Ankünften. Wir gingen runter zu den Abflügen. Wie die Stadt Boston selbst, glich auch der Flughafen heute einer Geisterstadt, die gewachsten Flure waren noch immer glatt und unversehrt, sie warfen das grelle Neonlicht über ihnen zurück. Wir fanden die 506, atmeten tief ein und dann wieder aus, als der Schlüssel nicht paßte.
Dasselbe bei D und E.
Wir versuchten es in East Boston, Chelsea, Revere - nichts. Wir gingen in einen Sandwichladen in Everett und setzten
uns ans Fenster. Der Morgen war vorüber, der Himmel hatte die graue Farbe einer naßgewordenen Zeitung angenommen. Man konnte nicht sagen, daß er wolkenverhangen war, es
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