Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
immer um, und ging zum Fenster. »Acht Uhr abends«, erwiderte sie und zog die Vorhänge zurück. »Am vierten Juli.«
Am Himmel explodierten Farben. Weiß, Rot, Blau, Orange und Gelb. Ein Donner erfüllte das Zimmer, und ein blauweißer Sternenregen entzündete den Himmel. Ein in die Höhe schießender roter Stern entlud sich in der Mitte und brannte zu einem Sternenhagel ab, der seine rote Farbe über das Blau und Weiß ergoß. Das ganze Schauspiel erreichte seinen Höhepunkt und fiel dann plötzlich in sich zusammen, die Farben regneten herab und vergingen in einer Kaskade von Glut. Angie öffnete die Fenster; draußen donnerte das Boston Pops Orchestra Beethovens Fünfte, als hätte man die Stadt mit einer Wand aus Lautsprechern umstellt.
Ich erkundigte mich: »Haben wir zwölf Stunden geschlafen?«
Sie nickte. »Nach Schießereien und Vernehmungen ist so was wohl nicht unüblich.«
»Schätze ich auch.«
Wir gingen zum Bett zurück und setzten uns auf die Kante. »Junge, Scooter, wenn du einen Alptraum hast, dann aber richtig, was?«
Ich rieb mir das Gesicht. »Tut mir leid, daß ich dich geweckt habe.«
»Irgendwann mußten wir ja aufstehen. Apropos, haben wir irgendeinen Plan?«
»Wir müssen Paulson und Socia finden.« »Das ist ein Ziel, kein Plan.« »Wir brauchen unsere Pistolen.« »Stimmt.«
»Werden wir wahrscheinlich nicht leicht drankommen, wo es überall von Socias Leuten nur so wimmelt.« »Wir lassen uns was einfallen.«
    Mit einem Taxi fuhren wir zurück nach Hause, ich nannte dem Fahrer eine Adresse, die ungefähr eine halbe Meile hinter der Kirche lag. Als wir an ihr vorbeifuhren, sah ich niemanden in der Dunkelheit lauern, aber das sollte ja auch so sein: Darum gibt es ja die Dunkelheit, darum lauerte man ja in ihrem Schutz. Ein paar Kinder, höchstens zehn, zwölf Jahre alt, schossen mit Raketen aus Flaschen auf die vorbeifahrenden Autos und warfen Knallfrösche mitten auf die Straße. Das Auto direkt hinter uns wurde an der Windschutzscheibe getroffen und blieb mit quietschenden Reifen stehen. Der Fahrer sprang heraus, doch die Kinder waren schon weg, bevor er überhaupt am Bürgersteig angekommen war, wie Hürdenläufer sprangen sie über die Zäune und verschwanden in dem Dschungel von Hinterhöfen.
    Angie und ich bezahlten den Taxifahrer und liefen über den Hinterhof der staatlichen Mittelschule - die Sozialschule, wie wir sie als Kinder genannt hatten, weil nur Kinder aus den Sozialwohnungen dahin gingen. In einer Ecke des Schulhofes lungerten ungefähr zwanzig der älteren Jugendlichen aus der Nachbarschaft in der Nähe des Notausgangs herum, stürzten zur Musik eines Ghettoblasters, der auf WBCN eingestellt war, Bier hinunter und ließen einen Joint kreisen. Als sie uns sahen, stellte einer von ihnen die Anlage lauter. Die J. Geils Band mit »Whammer Jammer«. Mir recht. Sie hatten schon gemerkt, daß wir keine Bullen waren, und wollten uns nun zeigen, was für einen Schrecken sie uns einjagen konnten, weil wir so dämlich waren, quer durch ihr Gebiet zu spazieren.
    Als wir an einer Straßenlaterne vorbeikamen, erkannten uns ein paar von ihnen und schienen den Kopf hängenzulassen: Man kann Leuten schlecht einen Schrecken einjagen, die mit den eigenen Eltern befreundet sind. Ich erkannte sofort ihren Anführer, Colin. Bobby Sheftons Sohn. Er sah gut aus, auch wenn er typisch irisch aussah: groß, gut gebaut und kurz geschnittenes, schmutzigblondes Haar um ein markantes Gesicht. Er trug ein weiß-grünes Muskelshirt und gebügelte Wandershorts. Er grüßte mich: »Alles klar, Mr. Kenzie?«
    Angie nickten sie nur zu. Niemand wollte eine Frau zu gut kennen, deren Ehemann als eifersüchtiger Schläger bekannt ist.
    Ich wandte mich an Colin: »Wie war’s, wenn ihr euch fünfzig Mäuse verdient, bevor der Spirituosenladen drüben zumacht?«
    Kurz leuchteten seine Augen auf, bevor ihm wieder einfiel, wie cool er war. »Kaufen Sie das Zeug für uns?«
»Na klar.«
Eineinhalb Sekunden lang schienen sie darüber nachzudenken. »In Ordnung. Was brauchen Sie?«
»Dafür müßt ihr euch aber mit Leuten anlegen, die vielleicht bewaffnet sind«, antwortete ich.
Colin zuckte mit den Achseln. »Die Schwarzen sind heute nicht mehr die einzigen mit Waffen, Mr. Kenzie.« Dann zog er seine eigene unter dem Muskelshirt hervor. Ein paar andere Jungs taten es ihm nach. »Seitdem sie vor ein paar Monaten versucht haben, den Ryan-Spielplatz zu übernehmen, haben wir ein bißchen aufgerüstet.« Kurz dachte ich

Weitere Kostenlose Bücher